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Kühle Distanz und neue Involviertheit

Ein wenig schlecht gelaunt und trotzig klingt ihr spröder Gesang, hintergründig catchy sind ihre Stücke, erwachsen ihre Texte: die Soloprojekte von Eleanor Friedberger

Von Detlef Diederichsen

Mit einer Präzision, dass ein Baum seine Ringe danach hätte wachsen lassen können, erschien jedes Jahr zwischen 2003 und 2009 ein neues Album des US-Duos Fiery Furnaces. Im Rückblick darf man sagen, dass dieser Schatz von sieben Alben neben dem Werk der Dirty Projectors eigentlich die interessanteste Hervorbringung des Genres Indie Rock im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts waren.

Zum Konzept der Band um die Geschwister Eleanor und Matthew Friedberger gehörte es offensichtlich, abwechselnd vergleichsweise schlichte, wenn auch zumindest wort- und sonst ideenreiche Popalben und zunehmend irrer werdende Konzeptalben zu veröffentlichen. Zu den Letzteren gehörten ­„Rehearsing My Choir“ (2005), eine Art Biografie ihrer griechischen Großmutter über deren Jahre als Chorsängerin, mit der alten Dame höchstselbst als Gaststar, die kaum auszuhaltende Informationsverdichtung ihres Neo-Prog-Meisteralbums „Blueberry Boat“ (2004) und die Cut-up-Brutalität der Live-Doppel-CD „Remember“ (2008), auf der sie offensiv ausnutzten, dass sie die eigenen Stücke für jede Konzertreise komplett neu arrangierten (und hier einfach Bits & Pieces aus unterschiedlichsten Versionen aneinanderpappten).

Ohne dass es ein offizielles Memo an die Fans oder die Presse gegeben hätte, legten die streitbaren Geschwister ihr gemeinsames Bandprojekt zu Beginn des aktuellen Jahrzehnts auf Eis (bis auf eine bezaubernde Radiosession für Daytrotter 2012) und arbeiten nunmehr solo. Dabei ging der hyperaktive Matthew mit seinem 8-LP-Projekt „Solos“ 2011 zunächst deutlich in Führung. Danach folgte aber nur noch ein weiteres Solowerk, sowie eine Digitalveröffentlichung als „Mr. Fried Burger, I Presume?“ und ein Instrumentalbum mit Fiery-Furnaces-Schlagzeuger Robert d’Amico unter dem ­Namen „Saqqara Mastabas“ (2016).

Schwester Eleanor wirkt da weniger manisch, legte ein eher gemächliches Tempo vor und bringt jetzt mit „Rebound“ ihr viertes Album seit 2011 in Umlauf. Schon zu Beginn ihrer Solokarriere sagte sie mal, dass ihr der heute als „Classic Rock“ zusammengefasste Mainstreamsound aus den siebziger Jahren eigentlich die liebste Musik ist.

He, Leute, schaut mal, wie gut ich bin, wie einzigartig mein Konzept ist, schlichte Kompositionen mit literarischen Texten zu kombinieren

Man hört das. Ihre Songs klingen auf eine fast beunruhigende Art zeitlos, ohne dabei in irgendwelche Retrofallen zu tappen: Es ist das Songwriting, das diese klassische Abgehangenheit hat; den Sound, die Produktion und die Arrangements lieh sich die 41-Jährige auf den ersten drei Soloalben ein wenig wahllos irgendwo aus der Indie-Welt. In seiner Gesamtheit erinnerte das am ehesten an den britischen Pub-Rock der unmittelbaren Prä-Punk-Jahre in seiner unaufgeregteren Variante, an Nick Lowe, Brinsley Schwarz und den jungen Elvis Costello. Schwitzigen Blues, zornigen Proto-Punk oder andere Angry-Young-Man-Ausbrüche suchte man bei ihr allerdings vergeblich, stattdessen erhielt man auf dieser auf den ersten Blick betont unambitioniert wirkenden Basis ordentlich zurechtgestrubbelte und amtlich gearbeitete Songs. Pop-Rock, könnte man etwas boshaft sagen.

Das wäre also nicht weiter der Rede wert, wäre da nicht immer eine gewisse hintergründige Catchyness ihrer Stücke, vor allem aber ihr spröder Gesang, der immer ein wenig trotzig und schlecht gelaunt klingt und eine große Souveränität bei den Texten aufweist. Virtuos jongliert sie mit Erzählperspektiven, wobei es auf jedes Wort ankommt, und was den Reichtum des Wortschatzes und die Einbettung aktueller Buzzwords und Catchphrasen angeht, führt sie das Werk der Fiery Furnaces weiter. Dabei hat man nie den Eindruck, als wäre die Gefühlswelt, in die man da für drei Minuten einen Einblick erhält, ihre eigene. Das Indie-Rock-typische Bekenntnisgejammer erspart sie uns vollständig, ihr Ich ist ein lyrisches.

„Rebound“ wird in der Promolyrik als Aufbruch zu neuen Ufern angekündigt, weg vom Pub-Rock, hin zur Elektronik, der Einfluss von Yellow Magic Orchestra oder gar Suicide sei erkennbar. Da darf man gleich eine Entwarnung hinterher­schicken: Hier irrt das Mar­keting. Ja, gemeinsam mit ihrem Co-Produzenten, der auf den niedlichen Namen Clemens Knieper hört und auch schon für ihr letztes Album, „New View“, Mitverantwortung trug, hat sie gewisse Modifikationen vorgenommen: Wenn man genau hinhört, stellt man fest, dass die Drums programmiert sind, und unter den nach wie vor ­prominenten Gitarren­spuren finden sich mehr Keyboards. Am Gesamteindruck der Musik hat das jedoch wenig geändert. Eleanor Friedberger tritt ja gerne solo mit Gitarre auf, weil es so teuer ist, Musiker auf Tour mitzuschleppen – in dem Format würden sich die neuen Songs von den älteren kaum unterscheiden.

Virtuos jongliert sie mit erzählerischen Perspektiven, wobei es auf jedes Wort ankommt, und führt so das Werk der Fiery Furnaces weiter

Dass man dennoch das Gefühl von einer Zäsur hat, liegt eher an anderen Dingen: In den Songs von „Rebound“ meint man nun schon etwas von jener Ambitioniertheit zu spüren, die auf den ersten drei Alben so aufreizend abwesend war – vielleicht um sich von den bilderstürmerischen Ausbrüchen der Fiery Furnaces abzusetzen. Dieses Album nun scheint deutlich zu sagen: He, Leute, schaut mal, wie gut ich bin, wie einzigartig mein Konzept ist, schlichte Kompositionen von fast Bub­blegum-artiger Eingängigkeit mit erwachsenen, literarischen Texten zu kombinieren.

Um ihr Argument zu unterstreichen, hat sie einerseits die Palette genutzter Produktionsmittel erweitert, für mehr Abwechslung durch mehr und präziser eingesetzte musikalische Ausdrucksmöglichkeiten gesorgt. Andererseits hat man das Gefühl, dass sie beim Schrei­ben einfach noch konzentrierter gearbeitet hat, sich klar geworden ist, dass das Veröffentlichen von Musik keine Privatangelegenheit ist, nicht nur ein schönes Nach-Feierabend-Hobby. Sondern dass man Statements abgibt, die bleiben, die sich womöglich über die ganze Welt verbreiten, und dass man dabei folglich besser mit größtmöglicher Sorgfalt vorgeht.

Die kühle Distanz zu ihren Stoffen konnte sie sich glücklicherweise trotz dieser neuen Involviertheit bewahren. Das Marketing sollte den schönen alten Werbespruch „All killer, no filler“ herauskramen, statt die Namen alter Synthie-Pop-Helden zu droppen. Denn der trifft auf „Rebound“ zu wie schon lange auf kein Popalbum mehr.

Eleanor Friedberger: ­„Rebound“ (Frenchkiss/The Orchard/Membran); die Tour ist im Herbst

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