wortwechsel
: Hier soll niemand vor Anker gehen

Bigottes Bayern? Sind die geplanten „Ankerzentren“ für Flüchtlinge nur Gefängnisse ohne Chance auf Kontakt nach draußen, ohne Arbeit und Integrationshilfen? Mit Blick ins Grüne?

Bamberg, alte US-Kaserne. Heute Flüchtlingsunterkunft und Vorbild für weitere Ankerzentren Foto: Sonja Och

Zynismus pur

„CDU drängt SPD zu Asylzentren“,

taz vom 6. 5. 18

Bekommen die BewohnerInnen in den Ankerzentren vielleicht bald auch niedliche kleine Ankerchen auf ihre Unterarme tätowiert? Klaus Teichert, Berlin

Mit zweierlei Maß

„Unionspolitiker fordern Wertekunde für Flüchtlinge“, taz vom 8. 5. 18

Ich kann mir vorstellen, wie die AnhängerInnen verschiedenster Ideologien und Parteien diese Forderung freudig begrüßen oder sie entsprechend heftig, weil zu „rechts“ und „deutschnational“, ablehnen. In der Tat ist die Benennung eher unglücklich, und ich gehe auch, obwohl ich selten der FDP zustimme, mit Frau Gebauer mit, dass nicht immer gleich mit der Einführung neuer Schulfächer auf gesellschaftliche Probleme reagiert werden sollte. Aber dass der Werteverlust ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, das sich durch alle Schichten, auch durch leider fast alle Generationen und Bevölkerungsgruppen zieht, ist nicht von der Hand zu weisen. Dem muss irgendwie begegnet werden – nicht nur mit Unterricht für Flüchtlinge, sondern im Unterricht für alle Kinder (gerne übernehmen die DeutschkollegInnen sicher auch den Kompetenzbereich Wertevermittlung, wenn ihnen nicht ständig das Stundendeputat zugunsten anderer, neuer Fächer gekürzt würde). Dem Problem müsste aber auch gesamtgesellschaftlich begegnet werden – in der Erziehung durch Eltern, durch die Kita, an den Universitäten, in den Ausbildungsbetrieben, in der Politik und Justiz. Denn warum sollte ein junger Mensch, ob türkischer, syrischer, afrikanischer oder deutscher Herkunft, sich rechtschaffen und ehrlich, tolerant und rücksichtsvoll anderen Menschen gegenüber verhalten, wenn ein Herr Winterkorn zum Beispiel etwas ganz anderes vorlebt und (zumindest in Deutschland bisher) damit auch durchkommt?

Dorothee Jüttner, Wilhelmshaven

Zum Gast degradiert?

„Für die Freiheit, gegen Abschiebung“, taz vom 4. 5. 18

Die versuchte Festnahme eines zur Abschiebung ausgeschriebenen Asylbewerbers in Ellwangen geriet der Polizei zum Fiasko. Dass ein CSU-Politiker im (bayerischen) Wahlkampfmodus das grundgesetzlich geschützte, überragende Rechtsgut Asyl zum auf Gnade basierenden „Gastrecht“ herunterfaselt, disqualifiziert ihn als obersten Dienstherren unserer Rechtsstaatsbeschützer – es gibt kein Gastrecht, sondern nur das Asylrecht! Derlei populistische Hetze ist man aus der CSU ja inzwischen leidgeprüft gewohnt.

Dass aber der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) wenige Stunden später auf Phoenix öffentlich in dieselbe Kerbe haut, schlägt dem Fass den Boden aus: „Im Grundsatz hat jemand, der Straftaten begeht, sein Gastrecht verwirkt.“ Das Recht auf Asyl ist aber ein Grundrecht, das man niemandem entziehen kann – selbst, wenn er in Deutschland Straftaten begeht. Ordentliche Gerichte sind dafür zuständig, die Rechtmäßigkeit der Asylgründe zu prüfen. Und ordentliche Gerichte müssen natürlich ebenso Straftaten oder Verfehlungen des Einzelnen, der in Deutschland Asyl sucht, prüfen, beurteilen, und ahnden.

Wer in Deutschland Asyl beantragt, ist kein Gast, sondern legaler Anspruchsteller. Wer ihn zum „Gast“ degradiert, degradiert sich selbst zum Feind des Grundgesetzes. Klaus Knodt, Braunschweig

Nächstenliebe?

„Ein sehr schlechtes Sicherheitsdenken“, taz vom 4. 5. 18

Ein sehr gelungener und sogar mutiger Artikel, weil gegen den sehr zu meinem Bedauern feststellbaren Mainstream der sonstigen Berichterstattung in anderen Zeitungen und Medien. Tatsächlich stellt die Idee der Ankerzentren Inhalt und Sinn der Kreuzsymbolik auf den Kopf.

Torsten Steinberg, Porta Westfalica

„Ordnung statt Gerechtigkeit“,

taz vom 7. 5. 18

Reise nach Jerusalem

Mittlerweile macht es nur noch ärgerlich, wie jeder Vorschlag zum Thema Migration, der nicht Maximalforderungen stellt und die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel zumindest lobend erwähnt, sofort in die rechte Ecke gestellt wird.

Aus dem Thesenpapier der Linkspartei zu Einwanderungsfragen spricht, anders als Neumann behauptet, kein Wunsch nach Anschlussfähigkeit im Zuge des „allgegenwärtigen Rechtsruck(s)“.

Vielmehr reiht es sich ein in die Konzepte anderer europäischer Linksparteien. Sehr deutlich wird darauf hingewiesen, dass das Asylrecht als grundlegendes Menschenrecht nicht angetastet werden soll.

Dagegen ist fraglich, ob es in moralischer Hinsicht wirklich das Gleiche ist, ob jemand bitterer Armut zu entfliehen versucht (und schon Hartz IV einen „Aufstieg“ bedeuten würde), oder ob die Kinder russischer Oligarchen, arabischer Ölmagnaten, afrikanischer Diktatoren, amerikanischer Großunternehmer, italienischer Mafiosi und griechischer Reeder sich in der Fremde ein wenig ausprobieren wollen, nicht zuletzt auch, weil in Deutschland – sofern es um „adäquate“, „gute“ Jobs geht – ganz gut gezahlt wird.

Arbeitsmigration bewegt sich meistens zwischen diesen Extremen. Dennoch ist dadurch ein erheblicher Druck auf dem Arbeitsmarkt entstanden, der durch die Digitalisierung eher noch zunehmen wird.

Man kann nun „Reise nach Jerusalem“ mit den Menschen hier spielen und sich gut fühlen, weil man weiß, dass für einen selbst immer ein Platz reserviert bleibt, ganz gleich, wie eng es für die anderen auch werden mag. Daniela Hoehn, Berlin

Marionettenregime

Die Stärke der Migration rüttelt nicht an der Ordnung der Exklusion. Die Marionettenregime des neoliberalen Kapitals entsorgen vielmehr ihr Konfliktpotenzial in Gestalt junger Männer in die Sozialsysteme der Metropolen. Die Ordnung wird gestärkt. Fallen die Grenzen, wird diese globale Ordnung auch nicht zu einem politischen Problem, sondern – das kann man sehen, wenn man den Idealismus durch das ersetzt, was man früher materialistische Analyse nannte – eben zu einer militärischen und polizeilichen Angelegenheit von der Ägäis bis nach Ellwangen.

Die Behauptung, dass es den 19 Linken um die Gewährleistung der neoliberalen Ordnung ginge, ist nicht nur beleidigend – sie ist insofern ein Treppenwitz, als gerade die idealistische No-Border-Politik Wasser auf die Mühlen des bedrohten Spätkapitalismus lenkt. Migration treibt den Spaltpilz ins linksgrüne Milieu, in die Wartestuben der Job-Center. Wenn Chaos ausbricht durch verfehlte Flüchtlingspolitik, ist nicht die herrschende Ordnung in Gefahr. Im Gegenteil wird sie durch Chaos befördert, indem sie den Rechtspopulismus stärkt. Wer die auf der Linken überfällige Unterscheidung von Flüchtlingen und Einwanderern verweigert, nimmt nicht die Perspektive der Kämpfe ein – wie der Autor glaubt –, sondern befördert die Perspektive der Ordnung. Dieter Rohr, Köln