piwik no script img

das portraitErster Nichtweißer: Sajid Javid, neuer Innenminister von Großbritannien

Foto: Simon Dawson/reuters

Großbritanniens neuer Innenminister Sajid Javid ist in mehrerer Hinsicht eine Überraschung. Die eine: Er ist der erste nichtweiße Innenminister seines Landes, wenn nicht ganz Europas. Geboren 1969 im nordwestenglischen Littleborough, ist der Sohn eines Migranten aus Pakistan jetzt zuständig für Großbritanniens innere Sicherheit sowie Integrations- und Migrationspolitik – eine Revolution.

Die andere Überraschung: Javids Aufstieg ist eigentlich gar keine Überraschung. Schon bei seinem Einzug ins Parlament als konservativer Abgeordneter für den Wahlkreis Bromsgrove 2010 sagten Politikexperten dem eloquenten Quereinsteiger eine große Zukunft voraus. Er wurde 2012 Staatssekretär im Finanzministerium und bezog noch andere Posten, bis Premierminister David Cameron ihn nach seiner Wiederwahl 2015 zum Wirtschaftsminister machte. Als Cameron 2016 nach dem verlorenen Brexit-Referendum zurücktrat, handelten manche Javid bereits als potentiellen Nachfolger. Die tatsächliche Nachfolgerin, die bisherige Innenministerin Theresa May, kürte ihn zum Minister für Wohnungsbau und Kommunen, was viele als unter seinem Niveau empfanden – bis er sich dann 2017 nach der Brandkatastrophe von Grenfell Tower bewährte, als er auf zupackende Art der unfähigen zuständigen Gemeindeverwaltung die Kompetenzen entzog.

Ein Macher, kein Ideologe; loyal, aber mit eigenen Ideen – so tritt Javid auf. Im Parlament ließ er schon an seinem ersten Tag im neuen Amt durchblicken, dass er mit dem Erbe seiner Vorgängerinnen Amber Rudd und Theresa May brechen will: Die offizielle Politik eines „feindseligen Umfelds für illegale Zuwanderer“ akzeptiert er nicht, und für die bisherige skandalöse Behandlung karibischer Migranten aus der Kolonialzeit hat er nur vernichtende Worte übrig: „Das hätte ich sein können, oder meine Mutter oder mein Vater.“

Denn es gibt zu Sajid Javid nicht nur zwei Überraschungen, sondern auch zwei persönliche Geschichten. Die eine ist die des Migrantenkindes von ganz unten. Sein bitterarmer Vater Abdul flog 1961 mit einem einzigen britischen Pfund in der Tasche nach London und fand Arbeit in einer Textilfabrik, als Busfahrer und schließlich als Ladeninhaber in Bristol; mit Frau und vielen Kindern lebte er in der Zweizimmerwohnung über dem Laden.

Danach beginnt die andere Geschichte. „Saj“ studierte, danach ging er als Banker zu Chase Manhattan in New York und stieg schnell auf. Die Deutsche Bank warb ihn 2000 ab, er machte weiter Karriere, zuletzt als Asiendirektor in Singapur. Dort verdiente er zuletzt angeblich rund vier Millionen Euro im Jahr. 98 Prozent seines Gehaltes büßte er ein, als er im Jahr 2009 in die britische Politik wechselte und 2010 ins Parlament gewählt wurde.

Politisch passt Javid in die Tradition Margaret Thatchers: ein Konservativer, der sich hocharbeitet und Veränderungen durchsetzt. Jetzt muss er sich beweisen. Eine Schonfrist im Umgang mit dem Skandal um die Diskriminierung der ersten schwarzen Zuwanderergeneration hat er nicht. Dominic Johnson

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen