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„Kann ein Kritiker nie benutzen“

In Hamburg wird am 1. Mai aus linker Perspektive über den Begriff „Heimat“ diskutiert

Thomas Ebermann, 67, ist Kritiker, Publizist, Satiriker und Theatermacher.

Interview Robert Matthies

taz: Herr Ebermann, für Rechte ist Heimat ein zentraler Kampfbegriff, aber auch Linke erkennen in ihm heute oft Positives. Warum hat der Begriff derzeit so eine Konjunktur?

Thomas Ebermann: Wir konnten gerade lesen, dass rund 80 Prozent der Deutschen Heimat gut finden. Und wir konnten lesen, dass 70 Prozent der Deutschen der Meinung sind, Heimat sei durch zu viele Ausländer bedroht. Damit ist eigentlich der Kern des Heimat-Booms erklärt. Die Heimatliebenden wollen unter sich bleiben und ein gutes Gewissen haben, wenn abgeschoben und die Festung Europa ausgebaut wird.

Gibt es Unterschiede zwischen rechten und linken Heimatbegriffen?

Wenn man Christoph Türckes „Heimat: Eine Rehabilitierung“ oder Peter Pilz’„Heimat Österreich. Ein Aufruf zur Selbstverteidigung“ liest, dann stellt man fest, dass die Unterschiede oft nicht so groß sind. Meistens geht es in der Substanz um dasselbe.

Gibt es ein legitimes Bedürfnis nach Zugehörigkeit? Darf man zum Beispiel seinen Stadtteil lieben?

Ich bin leider nicht die Instanz, die erlaubt und verbietet. Als Kritiker habe ich gegenüber dem Stadtteil, in dem ich lebe, keinerlei Heimatgefühle. Ich bin umzingelt von allen möglichen Sachen, die ich falsch finde. Ein Heimatgefühl würde von mir verlangen, alle möglichen Hässlichkeiten zu verklären. Ich muss mir nicht vorstellen, mit dem größten Arschloch zusammen „St. Pauli“ zu rufen. Heimat ist eigentlich ein Wort für Provinz gewesen. Erst die Nazis haben ihr Ideal der Volksgemeinschaft auf die Stadt projiziert, die als Hort der Arbeiterbewegung, des Liberalismus und der jüdischen Zersetzung dämonisiert worden ist. Städte wurden erst als gesäuberte Städte zur „Heimat“ stilisiert.

Müssen Linke also heimatlos bleiben?

Das Wort Heimat in seiner süßlichen Funktion, das kann ein Gesellschaftskritiker niemals benutzen, weil er die Gesellschaft für falsch eingerichtet hält und als die Menschen hässlich machend denunziert.

„Heimat, die ich meide“: Diskussion der Zeitschrift Konkret mit Thomas Ebermann, Andreas Nabert, Thorsten Mense und Lisa Politt: Di, 1. 5., 20 Uhr, Polittbüro, Hamburg

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