: Kompost statt Thermoskanne
Extrem gute Dämmung ist im Hausbau eine Selbstverständlichkeit. Die Herstellung und Entsorgung von Verbundkunststoffen belasten jedoch die Umwelt. Nachwachsende Rohstoffe sind eine gute Alternative
Extrem gedämmte Außenwände und eine kontrollierte Lüftung sind ökologisch ein Muss für moderne Häuser. Das wirft Fragen nach dem Raumklima auf. Um herauszufinden, ob solche Gebäude alltagstauglich sind, wurden im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums Bewohner von zwei Passivhaussiedlungen in Wiesbaden und Stuttgart befragt: Die Bewohner zeigten sich zufrieden, sie lobten den hohen Wohnkomfort in ihren Räumen. Auch in ihrem Verhalten fühlten sie sich nicht eingeschränkt. Umgekehrt habe ihre Alltagsroutine auch nicht die Funktionsfähigkeit der Häuser beeinflusst. Fazit der Umfrage: „Damit ist das Passivhauskonzept grundsätzlich für eine Vielzahl von Nutzergruppen interessant.“
Hightech-Freunde sind begeistert: Vakuumpaneele isolieren Häuser nach dem Prinzip Thermoskanne, und „intelligente“ Fenster saugen Sonnenwärme auf. Aber es gibt auch Bedenken gegen diese neuen Materialien: Einige Stoffe, die benötigt werden, um solch hohe Dämmwerte zu erreichen, können nur mithilfe chemischer Produktion und mit hohem Energieaufwand hergestellt werden. „Der Energieinhalt von Dämmstoffen ist bei einem Passivhaus in zwei bis drei Jahren wieder eingespielt“, hält das Passivhaus Institut dagegen.
Bleibt noch das Problem der Entsorgung: Der Kunststoffanteil pro Wohneinheit ist laut Umweltbundesamt in den vergangenen Jahrzehnten um ein Mehrfaches angestiegen. Gute Wärmedämmung ist heute beim Bau zwar selbstverständlich. Dafür werden jedoch Verbundstoffe gefertigt, die aus unterschiedlichen Materialkomponenten bestehen. Wie diese einzelnen Materialien später einmal getrennt werden sollen, um sie recyceln zu können, ist noch nicht geklärt.
Mit Naturdämmstoffen lassen sich vergleichbar gute Dämmwerte erzielen wie mit Hightech-Materialien. Dämmung aus Biomasse hat gleich zwei Vorteile: Bei der Herstellung wird kaum Energie verbraucht. Und wenn das Haus abgerissen wird, lässt sich das Material kompostieren oder CO2-neutral verbrennen. Bauabfälle machen heute rund 70 Prozent des Industrie- und Siedlungsmülls aus.
Hanf und Flachs etwa sind sehr gut als Dämmstoffe geeignet. Sie werden als Vlies wie auch als Matten angeboten. Beim heimischen Hanfanbau wird auf chemischen Pflanzenschutz verzichtet. Hanffasern sind reißfest und nicht empfindlich gegen Feuchtigkeit. Der Baustoff ist frei von umweltschädigenden Zusatzstoffen, eine chemische Imprägnierung gegen Motten und Käfer unnötig.
Auch mit Strohballen lassen sich auf einfache Weise hochwärmegedämmte – und stabile! – Wohnhäuser erstellen. Eine bewährte Bauweise ist der „Nebraska Style“, bei dem die Strohballen die Lasten des Hauses tragen: in der Regel das Dach, manchmal auch die Geschossdecke. Davon stehen in den USA Hunderte von gebauten Beispielen, auch mehrgeschossige. Einige sind über 80 Jahre alt. In Europa verbreiteter sind Strohballen-Ständerkonstruktionen. Dabei übernehmen Strohballen keine tragende Funktion, sondern werden als Wand bildender Dämmstoff eingesetzt. Die Brandgefahr ist beim Strohballenbau übrigens nicht größer als bei anderen gängigen Baustoffen. Da die Ballen – schon aus Gründen der Stabilität und Dämmung – stark gepresst werden, sind sie schwer entflammbar. Eine Prüfung ergab für eine beidseitig mit drei Zentimeter Lehmputz verkleidete Strohballenwand einen Feuerwiderstand von über 90 Minuten. Mit solch einem Wert ließen sich nach deutschem Baurecht mehrgeschossige Wohnhäuser errichten.
Holz wiederum ist ein schlechter Wärmeleiter und damit ein gutes Dämmmaterial. Ziegeln ist es weit überlegen. Das Problem bei anderen Materialien, die als tragende Elemente verwendet werden: Sie bilden Wärmebrücken, über die Energie nach außen verloren geht. Diese Wirkung ist bei Holz sehr gering. Mit Luftkammern in der Massivholzwand und mit einer Mischung aus Wachs, Holzmörtel und Sägemehl lassen sich die Dämmeigenschaften noch optimieren. (lk)
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