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Archiv-Artikel

Öllos glücklich

SOLARES BAUEN Erneuerbar und hocheffizient: Eine Familie in Freiburg zeigt, wie sich Heizenergie um 95 Prozent reduzieren lässt

Gewinn an Lebensqualität: „Wir haben ein Raumklima, das ist unschlagbar“

VON BERNWARD JANZING

Das oberste Stockwerk des Wohnhauses ist selbst an heißen Freiburger Sommertagen angenehm temperiert - einer großen Fensterfront an der Südseite zum Trotz. Eine Klimaanlage braucht es dafür nicht. Wie kann das sein?

Rainer Schüle wohnt hier zusammen mit seiner Frau Birgit Oehrle und ihren beiden Kindern. Der Ingenieur erklärt das Phänomen: „Bei Sonnenhöchststand trifft keine direkte Sonnenstrahlung in die Räume.“ Denn das Vordach ragt nach Süden so weit hinaus, dass es im Sommer das Fenster verschattet. Im Winter jedoch, wenn die Sonne flach steht, kann sie ungehindert ins Wohnzimmer scheinen und die Räume wärmen. So baöffentlichen Gebäudennal und wirkungsvoll das Prinzip ist - viele Architekten haben es noch nicht begriffen. Sonst würden keine Häuser mehr gebaut, die sich im Sommer treibhausgleich aufheizen und dann mit viel Energie gekühlt werden. Das Haus der Familie Schüle-Oehrle im Freiburger Stadtteil Vauban jedoch ist in jeder Hinsicht zeitgemäß gebaut. Auf dem Hausdach sind eine Photovoltaik-Anlage und Kollektoren fürs warme Wasser installiert. Reicht die Sonnenwärme nicht, dann springt eine Holzpelletheizung im Keller an. So wird das Haus mit 12 Wohnungen komplett ohne fossile Energien beheizt. Das geht natürlich nur mit guter Wärmedämmung. Und weil Schüle vom Fach ist - er ist Geschäftsführer der Energieagentur in Freiburg - hat er präzise bilanziert: Nur 9,4 Kilowattstunden an Heizenergie benötigt seine Wohnung im Jahr pro Quadratmeter. Wären alle Häuser so klug gebaut, könnte man in Deutschland 95 Prozent der Heizenergie sparen, denn der Durchschnitt liegt zwischen150 und 200 Kilowattstunden. Die Effizienz bringt zudem einen Gewinn an Lebensqualität: „Wir haben ein Raumklima, das ist unschlagbar“, sagt Schüle. Denn in dem Gebäude sorgt eine kontrollierte Be- und Entlüftung mit Wärmerückgewinnung stetig für frische Luft. Auch ihren Stromverbrauch hat die Familie optimiert. Sie kommt im Jahr mit 1.500 Kilowattstunden in der Wohnung und weiteren 400 Kilowattstunden für Haustechnik und Gemeinschaftsstrom aus. Verglichen mit einem Durchschnittshaushalt ist das nur die Hälfte. Dennoch fehlt es an nichts: „Bei uns sind eben alle Geräte hocheffizient“, sagt Schüle. So werden Wasch- und Spülmaschine mit Warmwasser gespeist, was deutlich effizienter ist als der Einsatz des Heizstabs in den Maschinen. Und weil auch Elektroherde ineffizient sind und es Erdgas nicht gibt im Stadtteil, kocht die Familie mit Flüssiggas. Selbst ihre Mobilität hat die Familie klimafreundlich organisiert - ohne eigenes Auto.

„Wir brauchen keines“, sagt Schüle. Die sechs Kilometer zum Dienst fährt er täglich mit dem Fahrrad. Auch seine Frau Birgit Oehrle und die beiden Kinder im Alter von 10 und 13 Jahren sind zumeist mit Fahrrad, Bus oder Bahn unterwegs. Einschränkungen? „Nein“, sagt Oehrle, „die Dinge des täglichen Bedarfs gibt es doch alle in Fahrradentfernung“. Und wenn doch mal ein Auto nötig ist, „dann mieten wir eines beim Carsharing“, sagt Schüle. 90 Fahrzeuge stehen in der Stadt zur Auswahl, davon alleine 12 in nächster Umgebung. Dann wird das Fahrzeug telefonisch oder im Internet gebucht und steht umgehend zur Verfügung. „Das klappt so gut, dass unsere Mitarbeiter dieFahrzeuge auch geschäftlich nutzen“, sagt der Geschäftsführer der Freiburger Energieagentur. So kommt die Familie laut gängiger CO2-Rechner auf eine jährliche Emission von unter fünf Tonnen CO2 pro Kopf - der Durchschnitt im Land liegt bei 11 Tonnen. Allerdings ist die Berechnung in einem Punkt etwas unfair: Sie setzt einen Pauschalbetrag pro Kopf an, den niemand persönlich beeinflussen kann. Es werden jedem Bürger, auch wenn er privat noch so sparsam ist, aufgrund des öffentlichen Konsums gut 1,2 Tonnen CO2 angelastet - zum Beispiel für die Beheizung von öffentlichen Gebäuden wie Schulen und Rathäusern, die energetisch oft miserabel aufgestellt sind. Und das wiederum ist dann für Rainer Schüle ein berufliches Thema: Die Energieagentur Freiburg berät Kommunen, Unternehmen, Hauseigentümer und Baugesellschaften rund um Energieeinsparung und erneuerbare Energien. Da hat er mit seiner eigenen Wohnung zweifellos ein gutes Referenzobjekt geschaffen, das Schule machen könnte.