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Archiv-Artikel

FELIX LEE POLITIK VON UNTEN Gedenken à la Antifa

Mit einer unangemeldeten Demo wird in Göttingen des 20. Todestages der Antifaschistin Conny W. gedacht

Göttingen hatte sicherlich schon vorher den Ruf einer linken Hochburg. Doch was am 17. November 1989 geschah, hat die kleine Universitätsstadt im piefigen Südniedersachsen nachhaltiger geprägt als der zeit- und ortsnahe Mauerfall.

Im Anschluss an eine Protestaktion gegen rechtsextreme Skinheads wollte die 24-jährige Studentin Conny Wessmann mit ihrer Kleingruppe eine Polizeisperre umgehen. Als Polizisten sie verfolgten, rannte sie auf eine viel befahrene Straße und wurde von einem Auto erfasst. Sie starb noch am Unfallort. Für die autonome Szene war die Sache klar: Conny W. war von Polizisten in den Tod getrieben worden. Was die Sache zusätzlich heikel machte: Vor dem Unfall hatte ein Einsatzleiter in sein Funkgerät gesagt: Wenn genug Leute da sind, „sollten wir die ruhig mal plattmachen“.

Noch am selben Abend versammelten sich Hunderte zu einer Trauerkundgebung. Dabei blieb es nicht. In den folgenden Wochen kam es zu den größten Autonomenprotesten, die es bundesweit je gegeben hat. Die Bilder vom „Göttinger schwarzen Block“ sind legendär.

Ich selbst habe die Conny-Demos erst ab Mitte der neunziger Jahre in Göttingen miterlebt. Mir persönlich waren die „Gedenkdemos“ suspekt. Denn programmatisch hatten sie vor allem eine Aussage: den Polizeistaat angreifen.

Aber auch in der Göttinger linken Szene wurde das Conny-Gedenken immer wieder sehr kontrovers diskutiert. Antifas verarbeiteten den tragischen Tod zu einem Heldenmythos, während ihr unmittelbarer Bekanntenkreis stark bezweifelte, ob Conny einer solchen Märtyrerrolle je zugestimmt hätte.

Die Debatten haben nicht viel gebracht. Zum 20. Jahrestag mobilisieren dieser Tage erneut Antifas zu einer Conny-Demo. Sie haben darauf verzichtet, die Demo anzumelden: Das Versammlungsrecht gelte ohnehin nicht mehr, wenn „Tausende Bullen die Demonstration in eine Art Gefangenentransport verwandeln und das inhaltliche Anliegen nach besten Mitteln verbergen“, argumentieren sie. Wer vorbestraft ist oder keinen deutschen Pass hat, sollte sich dieses „persönlichen Risikos“ bewusst sein. Ein solcher Umgang gibt Connys Freunden recht: So möchte sicherlich niemand in Erinnerung bleiben.

Der Autor ist Redakteur für soziale Bewegungen. Foto: Wolfgang Borrs