: Grab soll nicht zum Wallfahrtsort werden
RECHTSEXTREME Der Tod des NPD-Bundesvize Jürgen Rieger löst Unsicherheit in der Neonazi-Szene aus. Wer bekommt sein Geld? Testament noch unklar. Riegers Kinder gehören nicht zum rechtsextremen Spektrum
BÜRGERMEISTER SCHLITTE
VON ANDREAS SPEIT
Der NPD-Bundesvize Jürgen Rieger ist verstorben. Seit dem Wochenende lag der Neonazianwalt aus Hamburg in einer Berliner Klinik im Koma. Am Donnerstag gegen 13 Uhr wurden die intensivmedizinischen Maßnahmen eingestellt. Die Familie bestätigte den Tod.
Nach dem Ableben des umtriebigen Anwalts will die Familie verhindern, dass sein Grab zu einem Wallfahrtsort der Szene wird. Die Familie denke über eine Feuer- oder Seebestattung nach, sagt Riegers Sohn der dpa.
NPD-Bundesvorstandsmitglied und Rieger-Intimus Thomas Wulff erklärte anlässlich des Todes: „Kameraden, Kameradinnen, Deutsche! Ich habe die traurige Pflicht, euch bekanntzugeben: Der Anwalt für Deutschland – Jürgen Rieger – ist tot.“
Am Samstag hatte Rieger auf einer NPD-Vorstandssitzung einen Schlaganfall erlitten. Der 63-Jährige, der fast vierzig Jahre in dem rechtsextremen Milieu verankert war, wurde in einer Intensivstation untergebracht. In dem Klinikum besuchte am Montag der NPD-Bundesvize Udo Voigt mit Teilen der Familie seinen „echten Freund“.
Nach außen versuchte die NPD den Zustand ihres Bundesvize, der die Partei mit geschätzten Darlehen in Höhe von etwa 500.000 Euro finanziell stark unterstützte, lange im Vagen zu halten. Nach den ersten Gerüchten trat in der Szene fast ein Schockzustand ein. In rechtsextremen Internetforen hofften Kommentatoren, dass Rieger nicht nach „Walhall“ abgerufen wird. Schnell fragte man dort aber auch, wie denn der Nachlass geregelt sei.
Mit seinem Vermögen hat Rieger nicht bloß der Partei geholfen. Der 1946 in Blexen bei Oldenburg geborene Anwalt finanzierte immer wieder Immobilien für die „nationale Bewegung“ und half mit Privatkrediten „treuen Kameraden“.
Kurz nach dem Schlaganfall meinte so auch der Hamburger Rechtsextreme Thorsten de Vries, dass abgewartet werden müsse, welche „Anweisungen“ Rieger „für den Fall seines Ablebens“ getroffen habe. Der niedersächsische NPD-Kommunalpolitiker Daniel Fürstenberg, der mal in Riegers „Heisenhof“ in Dörverden lebte, wurde deutlicher: „Die nationale Bewegung muss ein Interesse daran haben, das Vermögen unseres Vorkämpfers in der Bewegung zu halten.“
Wie Rieger seinen Nachlass geregelt hat, ist noch nicht bekannt. Was die NPD sorgen dürfte, ist, dass die Familie Riegers Hitler-Verehrung nicht teilt. „Keines der vier Kinder von Rieger gehört der Szene an“, bestätigt eine Sprecherin des niedersächsischen Verfassungsschutz (VS) der taz. Sollte Rieger, der dank Erbschaften von Altnazis und Immobiliengeschäften ein Vermögen angehäuft hat, keine testamentarische Vereinbarungen hinterlassen haben, könnte der NPD diese Finanzquelle versiegen. Sohn Rieger sagte der dpa, dass noch unklar sei, was mit dem Vermögen geschehen soll.
Riegers Tod löst aber auch Erleichterung aus. So im niedersächsischen Faßberg, wo Rieger in einem ehemaligen Hotel ein Neonazizentrum eröffnen wollte. Bürgermeister Hans-Werner Schlitte (parteilos) erklärt: „Durch den Tod hat sich die Situation deutlich entspannt.“