: Verschwunden im eigenen Hirn
WELTTHEATER Josef Hader tritt im Bremer Schlachthof auf und präsentiert einen Abend, der die Höhepunkte seiner bisherigen Programme zu etwas Neuem verbindet
Josef Hader
von ANDREAS SCHNELL
In einem Mitschnitt von Josef Haders Programm „Hader spielt Hader“, der auf Youtube zu bewundern ist, gibt es eine Szene, die so klassisch Hader ist, dass sie kurz geschildert sei.
Während der Kabarettist einen bereits etwas älteren Monolog über ein zerrüttetes Pärchen darbietet, das sich gegen Kinder, für ein Auto entschieden hat, „weil man mit am Kind net so schnell irgendwo hinkommt“, da fällt ihm offenbar auf, dass jemand im Publikum ganz traurig dreinschaut. Die Kamera zeigt eine wirklich bedrückt aussehende junge Frau. Und Hader lenkt ein: Man könne das natürlich auch von zwei Seiten sehen, aber das sei im Kabarett nicht möglich. Und schildert dann, ergriffen, dass es gewiss auch ganz toll sein könne, wenn das Kind zu Weihnachten mit großen Augen vor der Bescherung steht, die Eltern Weihnachten so neu erleben … Und man denkt, jetzt fängt er gleich an zu weinen. Stille. Und dann: „Naja, scheiß drauf, is eh net so oft Weihnachten. Oder man kann sich ansaufen, ma hat Optionen.“
Josef Haders Kollege Alfred Dorfer hat einmal im Interview mit der Zett erklärt: „Da der Österreicher gerne Menschen sucht, die an seiner Stelle kritisch sind und Meinungen vertreten, das Klassensprechersyndrom also liebt, ist die Satiredichte in Österreich überdurchschnittlich hoch.“
Einer dieser Menschen, die an anderer Leute statt kritisch sind, wäre dann also Josef Hader. Als ausrangierter Polizist Brenner grantelte er sich in den letzten Jahren durch die Wolf-Haas-Verfilmungen „Komm süßer Tod“, „Silentium“ und „Der Knochenmann“. Als Dr. Fuhrmann war er der reichlich unauskömmliche Pathologe, um den der Fernsehzweiteiler „Die Aufschneider“ kreiste, und mit Kollege Dorfer spielte er vor einigen Jahren in dem gemeinsam verfassten, später verfilmten Theaterstück „Indien“ zwei Kontrolleure des österreichischen Fremdenverkehrsamtes.
Aber Klassensprecher? Nein. Jedenfalls nicht, wie wir sie von damals kennen. „Ich möchte garstige Sachen so gut machen, dass mich trotzdem alle mögen“, sagt Hader selbst. Seine Kunst als Kabarettist besteht darin, wie er sein Publikum an ganz alltäglichen Orten, aus eigentlich eher unkomischen Situationen abholt, vielleicht mit einem ganz banalen Witz eröffnet, den er, kaum wollte man etwas irritiert abwinken, weiterspinnt, einen beinahe unmerklich an der Hand nimmt und dann, man weiß kaum wie, ganz anderswo in eine dieser typischen bizarren Geschichten hineinfallen lässt, in denen, nur mal als Beispiel, der Ast spricht, der einst in Paris den Ödön von Horvath erschlug und nun Wiedergutmachung an dessen Landsmann leisten möchte. Oder Reinhold Messner, der bei der Erstbesteigung der Hölle ein Problem hat, wieder herauszukommen, bis er schließlich, erst ein Finger, dann zwei, die Arme, schließlich, begleitet von einem vollmundigen Hochziehen, der Rest, durch die Nase in seinem eigenen Gehirn verschwindet – noch so ein Ort, an dem er noch nie gewesen war.
Virtuos spielt Hader mit dem hohen Ton und dessen tiefem Fall, mit dem Tragischen in der Komik und der Komik des Tragischen. „Welttheater in der Nussschale“, wie mal jemand sagte.
Jetzt ist Hader mit einem neuen Programm auf Tour. Nicht ganz neu, wie schon angedeutet. „Hader spielt Hader“ ist nicht nur eine ganz hübsche Charakterisierung dessen, was Hader auf der Bühne ist, sondern auch eine Art Best Of der letzten fünf Programme, und von diesem wiederum die zweite, überarbeitete Fassung. Aber das macht nichts.
Wer sich einmal im Internet durch Haders diverse Fernsehauftritte klickt, begegnet einigen Situationen und Figuren immer wieder. Dem kinderlosen Herrn von oben zum Beispiel, Reinhold Messner, langen Gängen, in denen es aussieht wie im Finanzamt. Und wenn Hader, gespielt von Hader, die Tür ganz am Ende des Ganges aufmacht, sitzt da beispielsweise Gott. Und du denkst, so langsam müsste sich der Hader doch mal etwas Neues ausdenken. Aber dann gibt es da auf einmal eine neue Tür, einen Fahrstuhl in den Himmel zum Beispiel. Und auf einmal stehen wir an einem Punkt, den wir schon kennen, aber erst nicht erkennen, weil wir an ihn durch den doppelten Boden gelangt sind, den Hader gelegt hat, ohne es zu verraten.
Dieses komplexe Gewebe der Erzählungen, die vielleicht an einem anderen Abend anfangen, in einem anderen weitergehen, bleibt irritierend unvorhersehbar. Das und der Blues, der darin und in Haders Liedern aufgehoben ist, machen die Größe der Haderschen Solo-Auftritte aus.
Im November ist übrigens am Staatstheater Oldenburg dann „Indien“ zu sehen, zwar nicht mit, aber von Josef Hader und Alfred Dorfer (Premiere: 20. 11., Exerzierhalle).
■ Freitag, 20 Uhr, Kulturzentrum Schlachthof