: Anhang im Anhänger
Lastenräder, Anhänger, Kindersitze – es gibt viele Möglichkeiten, den Nachwuchs per Rad zu transportieren, doch welche ist die beste für welches Alter, welche Situationen und welchen Geldbeutel? Ein Überblick mit Praxistipps
Von Erik Wenk
Spätestens wenn man selbst Kinder hat, braucht man auch ein Auto: zum Einkaufen, für Ausflüge, für die Fahrt zur Kita. Stimmt das? Nein, sagt Lara Eckstein vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub Berlin (ADFC): „Wenn man Kinder transportieren will, ist das alles problemlos mit dem Rad möglich, egal bei welchem Alter.“
Ein gutes Beispiel dafür ist Robert Horn. Der 29-jährige Radkurier aus Berlin besitzt kein Auto und hat seine siebenjährige Tochter Lotta-Helene von Beginn an mit dem Rad befördert. „Wir haben dabei fast jede Variante ausprobiert“, sagt Horn. „Meist war es eine Kombination aus Radanhänger und Lastenrad. Damit sind wir ganz gut gefahren.“
Horn nutzte meist einen zweisitzigen Radanhänger, mit dem man auch schon Babys transportieren kann. „Der Anhänger war für uns am flexibelsten, den konnten wir in der Kita stehen lassen und man kann ihn auch zu Fuß benutzen“, sagt Horn. Der ADFC empfiehlt Anhänger für Kinder zwischen null und sechs Jahren. Säuglinge oder Kleinkinder, die noch nicht selbstständig sitzen können, fahren dann in einer Babyschale oder einem Babysitz mit.
Allerdings sollten Eltern darauf Acht geben, dass der Anhänger gut gefedert ist. Die Rückenmuskulatur ist bei Kleinkindern noch nicht so weit entwickelt, dass sie größere Erschütterungen abfangen könnte, und wenn sie im Anhänger zu viele harte Stöße mitbekommen, kann die Wirbelsäule Schaden nehmen. „Viele günstige Anhänger haben eine schlechte Federung, aber wir haben einen gekauft, wo man die Federung dem Gewicht des Kindes anpassen kann“, sagt Horn. Und es kommt natürlich auch darauf an, wo man fährt. Wer ein Kind im Anhänger transportiert, sollte Kopfsteinpflaster und Bordsteinkanten meiden.
Anhänger kosten 150 bis 1.400 Euro, die Preisspanne ist also groß. Worauf sollte man beim Kauf also achten? Zunächst einmal ist wichtig, ob der Anhänger überhaupt ans Rad passt. Auch einige Fahr- und Bremsübungen sind sinnvoll, vor allem in Kurven und an Engstellen. „Viele sagen ja, ein Anhänger sei unpraktisch in der Stadt und er werde leicht übersehen, weil er so flach ist“, sagt Horn. „Aber wenn man selbstbewusst fährt, passiert da nichts. Außerdem haben wir immer ein großes Leuchtfähnchen dran.“
Parallel zum Anhänger nutzt Horn ein zweirädriges „Long John“-Lastenrad: Während der Anhänger auch für längere Touren mit Kind und Kegel taugt, ist das Lastenrad eher für kürzere Strecken wie die Fahrt zur Kita oder zum Einkaufen da. Wie beim Anhänger hat Horn auch beim Lastenrad darauf geachtet, dass die Federung gut ist. Ähnlich wie im Anhänger können auch im Lastenrad schon Säuglinge per Babyschale mitgenommen werden, ältere Kinder können angeschnallt mitfahren, und zwar bis zu vier Passagiere, je nach Größe der Box. „Ich habe Lotta ab drei Jahren im Lastenrad mitgenommen“, sagt Horn. Nur für den Kindertransport wäre ihm das Lastenrad aber zu teuer gewesen. Zwischen 1.000 bis 6.000 Euro kann man für die „Familienkutschen“ ausgeben. Er benutzt es daher auch für seine Arbeit als Kurier. Zudem benötigt ein Lastenrad viel Abstellfläche. Man kann es nicht mal eben in den dritten Stock tragen.
Der ADFC hat erkannt, dass die Entscheidung für ein Lastenrad gut überlegt sein will, und bietet deshalb einen ganzen Fuhrpark zum Ausprobieren an. „fLotte“ heißt das Programm, seit 2017 verleiht der Verein neun Lastenräder gegen eine freiwillige Spende. „Das Angebot wird von vielen Familien genutzt“, sagt Lara Eckstein.
Die günstigste Variante zum Kindertransport ist der Kindersitz. Hier liegt die Preisspanne bei 30 bis 150 Euro. „Das haben wir als Alternative genutzt, als Lotta noch kleiner war“, sagt Horn. „Wenn es mal schneller gehen sollte und man nicht erst den Anhänger rausholen wollte, haben wir den Kindersitz genommen. Allerdings nur bei gutem Wetter, der Anhänger schützt ja auch vor Regen.“
Probierräder In Berlin bietet der ADFC neun Lastenräder zum kostenlosen Ausleihen – und es sollen noch mehr werden. Wer registriert ist, schaut online, an welchem Standort ein Rad frei ist.
flotte-berlin.de
Weitere Tipps Die Broschüre „Fahrradfahren in der Schwangerschaft und mit Baby“ gibt neben Tipps zu Fahrzeugen auch Empfehlungen, wie man die Kleinen bei Wind und Wetter sicher mitnimmt. Zusammengestellt wurde das Heft vom Verkehrsplanungsbüro „Verkehr mit Köpfchen“ aus Heidelberg. Gibt's gratis im Netz: fahrrad-und-familie.de
Der ADFC empfiehlt Kindersitze für Kinder ab neun Monaten, die schon selber sitzen können. „Am besten sollte der Sitz hinter dem Fahrer oder der Fahrerin angebracht werden, da ist das Kind geschützter als vorne“, sagt Eckstein. Eltern sollten zudem darauf achten, dass die Gurte und Fußschlaufen auf die Größe des Kindes einstellbar sind. Nicht zu vergessen ist die Frage, ob die Kindersitze überhaupt am eigenen Rad angebracht werden können – am besten das Fahrrad direkt beim Kauf mitnehmen.
Für Kinder zwischen drei und neun Jahren, die schon selbst Rad fahren können, gibt es auch Nachziehräder. Die sind im Prinzip halb Fahrrad, halb Anhänger. Sie haben kein Vorderrad und lassen sich hinten an das elterliche Rad ankoppeln. Das Kind sitzt dann auf seinem eigenen Sattel und hält sich mit den Händen an Griffen fest, wie bei einer Lenkstange. Für ein solches Nachziehrad spricht, dass die Kinder so auch längere Strecken und höhere Geschwindigkeiten bewältigen können. Nach demselben Prinzip können Eltern sogar ein ganz normales Kinderrad mit ins Gespann nehmen: „Wir haben eine Tandemstange, mit dem Lotta ihr Fahrrad bei unserem einhaken kann“, sagt Horn.
Es gibt also je nach Situation eine Vielzahl an Varianten zum Kindertransport – und welche finden Kinder am besten? „Lotta sitzt am liebsten vorne im Lastenrad, da hat sie gute Sicht und man kann sich auch gut unterhalten“, sagt Horn. „Aber mir ist es mittlerweile am liebsten, wenn sie selbst Rad fährt.“
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