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Master-Skandal weitet sich aus

Darf die Chefin der Region Madrid im Amt bleiben? Sie soll ihren Mastertitel in Wahrheit nie gemacht haben

Aus Madrid Reiner Wandler

Während in anderen Ländern abgeschriebene Absätze in einer Doktorarbeit reichen, um zurückzutreten, hält sich die Regierungschefin der Region Madrid trotz eines handfesten Uni-Skandals an ihrem Amt fest. Cristina Cifuentes soll den in ihrem Lebenslauf angegebenen Mastertitel in Regionalem Verwaltungsrecht an der Universität König Juan Carlos (URJC) bei Madrid nicht rechtmäßig erworben haben. Und: Sie scheint kein Einzelfall zu sein. Doch aus Cifuentes nahestehenden Quellen will die Zeitung El País erfahren haben, dass die Politikerin der konservativen Partido Popular (PP) von Spaniens Ministerpräsidenten Mariano Rajoy nur zurücktreten will, wenn der Premier sie dazu auffordere.

Derweil ermittelt die Staatsanwaltschaft schon in diesem „Mastergate“. Als die Onlinezeitung eldiario.es begann, über die seltsamen Umstände um Cifuentes Abschluss zu berichten, brachte diese Unterlagen bei, die sich mittlerweile als unecht erwiesen haben. Die angeblichen Prüferinnen erklären, ihre Unterschriften seien gefälscht. Eine weitere hat Tonaufzeichnungen, die belegen sollen, dass sie von den Verantwortlichen für das Masterprogramm unter Druck gesetzt wurde.

Die spanische Rektorenkonferenz untersuchte den Fall. Die Rektoren kamen zum Entschluss: „Es sieht so aus, als gebe es keine Abschlussarbeit.“ Im Uni-Archiv ist keine Arbeit zu finden. Cifuentes selbst hat sie auch nicht. „Ich bin seither vier Mal umgezogen“, begründet sie das. Die Kommilitonen aus dieser Zeit können sich auch nicht an Cifuentes erinnern.

Mittlerweile fordern bis auf die PP alle im Madrider Regionalparlament vertretenen Parteien den Rücktritt von Cifuentes. „Weder bin ich angeklagt, noch habe ich meinen Lebenslauf gefälscht“, hielt diese aber zuletzt daran fest, im Amt zu bleiben.

Partei- und Regierungschef Rajoy ist bis Freitag auf Auslandsreise. Wenn er Cifuentes nicht zum Rücktritt zwingt, werden die Sozialisten mit Unterstützung der linksalternativen Podemos Anfang Mai ein Misstrauensvotum durchführen. Nur ein Überläufer aus den Reihen der rechtsliberalen Ciudadanos, die bisher Cifuentes unterstützen, würde reichen, um die Regierung abzuwählen.

„Die Noch-Präsidentin Madrids und der Noch-Rektor haben das Ansehen der öffentlichen Universität zerstört und haben eine der Institutionen, die für Chancengleichheit steht, schwer beschädigt“, schreibt eldiario-Chefredakteur Ignacio Escolar, der mittlerweile von Cifuentes angezeigt wurde.

Im Laufe der journalistischen Recherchen stellte sich schnell heraus, dass Cifuentes nicht allein ist. Im fraglichen Masterstudiengang haben sich über die Jahre immer wieder PP-Politiker eingeschrieben. Einige Lebensläufe sollen Auffälligkeiten aufweisen, berichtet die spanische Presse.

Die URJC hat in Madrid seit jeher den Ruf, Rajoys PP nahezustehen. Sie wurde 1996 unter einer konservativen Regionalregierung gegründet.

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