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Hol die Jacke

Auf der Suche nach Freiheit: David Hasselhoff gastiert im ausverkauften Friedrichstadtpalast Berlin

Der 65-jährige David Hasselhoff in Berlin Foto: M. Schreiber/reuters

Von Jan Jekal

Auf den Stufen vor dem Berliner Friedrichstadtpalast stehen sie im Kreis um eine kleine Siedlung aus Sixpacks. Sie sind vielleicht Ende 20 und tragen T-Shirts mit einem grinsenden David Hasselhoff. Jemand hat Boxen mitgenommen, es laufen Schlager mit gerader Bass­drum. Ein junger Mann trägt einen Schal mit Klaviatur-Motiv, denselben Schal, den Hasselhoff vor 30 Jahren trug, als er im Korb einer Hebebühne stand, über einer halben Million Menschen am Brandenburger Tor, und ein Lied von Freiheit sang.

In der Gruppe, die sich um die Bierflaschen formiert hat, wippt jeder im Takt mit den Beinen, und alle bewegen ihre Lippen zu den Gesangsmelodien und gucken sich dabei mit einem wissend-belustigten Blick an, mit dem sie sich gegenseitig versichern, dass sie das ja eigentlich gar nicht gut finden, dass sie nur ironisch mitsingen, und dass ihre Beine, die unentwegt wippen, nur ironisch wippen.

Michaela aus Marzahn, die auch vor dem Eingang steht, wird von einem Sat1-Reporter überfallen, einem hyperaktiven Männchen im Trainingsanzug, der Michaela von der Seite anmacht: „Jetzt sag’ doch mal, warum geht man auf ein David-Hasselhoff-Konzert?“ Ich höre aufmerksam zu, genau das möchte ich ja auch ergründen. Aber die Antwort ist dann unbefriedigend. Michaela sagt: „Susi ist schuld!“, und zeigt auf eine andere junge Frau, die rot wird, und dann lachen alle, wie beim Junggesellenabschied, und der Moderator schlägt vor, dass man jetzt ja „Looking for Freedom“ anstimmen könnte, und das machen sie dann auch.

Drinnen, am Merchandising-Stand, gibt es Sonnenbrillen für 15 Euro, eine Tasse mit dem Spruch „I’d kill for a cup of coffee“ und einem lächelnden Hasselhoff (10 Euro), T-Shirts, auf denen „Don’t hassel the Hoff“ steht oder „Hasselhoff saved my life“ (35 Euro), und den Hoodie zur Tour, auf den, ganz minimalistisch, einfach „The Hoff“ gedruckt wurde (40 Euro).

Oben hinten, auf den billigen Plätzen, ist die Atmosphäre ruppiger als bei den jungen Städtern vor dem Eingang. Der Dia­lekt hier lässt auf die ostdeutsche Provinz schließen; die Leute sind in den Vierzigern, die meisten Männer sind kahlrasiert und tätowiert und tragen ihre Ohrringe links. Es wird gejohlt und gegrölt, lange bevor es losgeht. „Ist hier Ostblock, Ostkurve“, sagt einer der Männer mit Glatze, und genau das ist es. Heiser krakeelen sie Fußballmelodien, die ganze Zeit, befremdlicherweise auch, als Hasselhoff längst auf der Bühne steht und zu singen versucht. „Die müssen den ja wirklich mögen“, denke ich zuerst, bei dem nicht enden wollenden Gebrülle, bis ich verstehe, dass es nicht in erster Linie Hasselhoff ist, den sie wirklich mögen, sondern sich selbst. Sie feiern nicht Hasselhoff, sie feiern sich selbst, dafür, dass sie Hasselhoff feiern. Das führt sie hierher. Die Selbstvergewisserung, witzig und locker zu sein, Spaß haben zu können, keinen Stock im Arsch zu haben.

Am Ende, nach zweieinhalb Stunden Klatschen auf jeder Zählzeit, erscheint auf der Leinwand die Silhouette eines Wachturms, und alle wissen Bescheid. „Hol die Jacke!“, skandiert ein Glatzkopf in meiner Nähe, und er schreit das in einem Tonfall, der nahelegt, dass er Hasselhoff auf den Parkplatz zusammenschlagen würde, sollte der jetzt die Jacke nicht holen. Der Glatzkopf meint Hasselhoffs Jacke von dem Auftritt am Brandenburger Tor vor 30 Jahren, die Lichterketten-Jacke, die Hasselhoff zusammen mit dem Klaviatur-Schal trug, als er in dem Korb der Hebebühne stand und das Lied von Freiheit sang. „Hol die Jacke!“, schreit der Glatzkopf. „Hol die Jacke!“

Er holt die Jacke.

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