: Symmetrie vor Bergpanorama
Kunst und Gemeinschaft: Dem Kaukasus oder eigentlich Georgien widmet sich eine kleine Filmreihe im Hamburger Metropolis-Kino
Von Alexander Diehl
Ein wenig holprig kann man es finden: „Ergänzend zum Musikprogramm“, so Hamburgs kommunales Kino Metropolis, „präsentieren wir Filme aus der Region.“ Die Region ist der Kaukasus, und das erwähnte Musikprogramm ist das heute zu Ende gehende Festival in der Elbphilharmonie. Zunächst fällt da ein Unterschied auf: In der Elphi war Musik aus drei benachbarten Ländern erklungen – Armenien, Aserbaidschan und Georgien –, was nicht ohne zumindest einen indirekten Hinweis auf deren teils sehr komplizierte Nachbarschaftsverhältnisse geht.
Dagegen kommen die Filme sämtlich aus Georgien oder befassen sich mit georgischen Stoffen. Was mit dem Zustand etwa der armenischen Filmindustrie zu tun haben mag, deren letzte Hochphase Jahrzehnte zurück liegt. Andererseits: Warum nicht genau das tun, also: Exemplarisches aus jener Hochphase zeigen? Oder deren Spiegelung etwa im Werk des Kanadiers Atom Egoyan? Vielleicht ja ein anderes Mal.
Was noch auffällt: Die Musik spielt keine ganz kleine Rolle. Da gibt es etwa ein Doppelprogramm mit Dokumentationen von Levan Kitian, der auch selbst als Gast kommen wird: „Dukhavoi“ (2017) handelt von einer Blaskapelle in der georgischen Provinz und ihrem Bemühen, Traditionen zu bewahren – auch wenn sich niemand dafür interessiert. In „Wie eine Insel“ (2017) ist es dann ein scheinbar Fremdes, das einer Gruppe Menschen Sinn beschert: der Tango.
Ebenfalls im Doppel gezeigt werden zwei Essayfilme von Marika Lapauri-Burk und Niko Tarielaschwili: In „Montag Abend“ (2013) ist es noch mal die Musik, die Halt und Gemeinschaft stiftet, wenn sich eine Gruppe Zugewanderter, eben, jeden Montagabend in Hamburg-Altona trifft und zusammen georgische Lieder singt.
In „Zuschauerräume“ widmen sich Lapauri-Burk und Tarielaschwili im weiter gefassten Sinne Fragen der Kunst und der Gemeinschaft: In dieser filmischen Variation auf Giwi Margwelaschwilis Theater-über-Theaterstück sitzt der Autor selbst im Zuschauerraum, während auf der Leinwand vermeintliche und echte Archivbilder in einen Dialog treten über Wirklichkeit und Kunst, Geschichte und Geschichten.
Stellt Margwelaschwilis doppelbödiger Stoff eine Dekonstruktion dar, dann illustriert „Die Legende der Suram-Festung“ (1984), was es zu dekonstruieren gibt. Noch zu sowjetischen Zeiten entstanden, war der Spielfilm ganz ausdrücklich „den georgischen Kriegern aller Zeiten gewidmet, die ihr Leben für die Heimat hingegeben haben“ – so stand es damals im Berlinale-Heft. Erzählt wird eine georgische Legende, die aber auch jenseits der einen oder anderen heutigen Grenze angetroffen werden könnte: Eine Festung stürzt immer wieder ein, wenn sie ein Dach bekommen soll. „Die Mauer wird erst stehen“, orakelt die Wahrsagerin, „wenn in ihr der schönste Junge eingemauert wird.“ Ein Junge ist willens – und so konnte nie mehr jemand das Land einnehmen.
In Szene gesetzt ist diese patriotische Mär weit weg vom sozialistischen Realismus, der in den 1980ern seine besten Tage auch hinter sich hatte: Ihre mal strenge, dann wieder traumartige Bildsprache bescherte der „Legende“ seinerzeit einige Festivalpreise. Sie nun auf großer Leinwand sehen zu können, schon das dürfte sich lohnen.
„Die Legende der Suram-Festung“ (OmU): heute, 20 Uhr;
„Meine glückliche Familie“ (OmU): Mi, 4. 4., 21.15 Uhr + Sa, 7. 4., 19 Uhr
„Dukhavoi“ / “Wie eine Insel“ (beide OmU): Do, 5. 4., 19 Uhr + Sa, 7. 4., 21.15 Uhr
„Zuschauerräume“ / “Montag Abend“ (beide OmU): Do, 5. 4., 21.15 Uhr + Fr, 6. 4., 21.30 Uhr, Regisseurin Marika Lapauri-Burk ist anwesend, am 5. April zudem die DarstellerInnen Lile Pilpani und Data Lapauri
„Es war einmal eine Singdrossel“ (OmU): So, 8. 4., 19 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen