die dritte meinung: Solidarisches Grundeinkommen – die nötige Abkehr von einer neo-liberalen Idee, sagt Gert Wagner
Gert G. Wagner ist Senior Fellow am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Von 1992 bis 1997 war er Professor für Sozialpolitik und öffentliche Wirtschaft an der Ruhr-Universität Bochum.
Das Konzept eines Solidarischen Grundeinkommens, wie es Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller vorschlägt, hat eine breite öffentliche Debatte ausgelöst. Dabei wurde aber ein Aspekt bislang nicht diskutiert, der eigentlich zentral ist: Die Idee eines Solidarischen Grundeinkommens stellt eine klare Abkehr vom sogenannten „New Public Management“ dar (deutsch: Öffentliche Reformverwaltung). Es ist der Abschied von der in den vergangenen 30 Jahren von vielen Ökonomen – darunter auch von mir – und Politikern vertretenen Meinung, der Staatssektor könnte durch privatwirtschaftliche Mechanismen grundlegend verbessert werden.
Müllers Vorschlag, der auf eine Ausweitung der Beschäftigung im öffentlichen beziehungsweise kommunalen Sektor hinausläuft, zeigt exemplarisch, dass marktwirtschaftliche Instrumente im öffentlichen Bereich nicht effektiv wirken können. Der Hartz IV-Ansatz hat die Probleme von Langzeitarbeitslosen nicht lösen können und wird jetzt daher zu Recht grundsätzlich diskutiert.
Das von Müller vorgeschlagene Solidarische Grundeinkommen, das mit den Vorschlägen zum sozialen Arbeitsmarkt im Koalitionsvertrag praktisch schon enthalten ist, bedeutet nichts anderes, als dass der Staat wie bis in die neunziger Jahre hinein wieder einfache Arbeitsplätze – vom Straßenreiniger über den Hilfshausmeister bis zum Helfer in der Pflege – einrichten wird.
Der „soziale Arbeitsmarkt“, wie Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil dies nennt, würde sowohl diejenigen, die von den gemeinnützigen Dienstleistungen profitieren, als auch die Neubeschäftigten besserstellen. Langzeitarbeitslose hätten ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis und einen auch tatsächlich ausgezahlten Mindestlohn.
Dies kann man so gestalten, dass keine Verdrängung bisheriger Stellen und Initiativen stattfindet. Stattdessen würde schlicht der Wiederaufbau eines wichtigen Teils des öffentlichen Dienstes erfolgen, der in den letzten Jahren durch das „New Public Management“ in Vergessenheit geriet.
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