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PIA kommt in die Kita

Nicht nur im Norden: Fachkräftemangel im Kindergarten befeuert Diskussion um eine Reform der ErzieherInnen-Ausbildung

Von Esther Geißlinger

Bei Streit vermitteln, Lieder singen, beim Essen helfen, Tränen trocknen, die sprachliche und motorische Entwicklung im Blick behalten, Eltern beraten und Kinder in der Phase zwischen Krippe und Grundschule begleiten: Wer in einer Kita arbeitet, kann vielfältige und bunte Tage erleben. Darum, welche Ausbildung am besten zum ErzieherInnenberuf befähigt, streiten aber Politiker, Gewerkschaften und Arbeitgeber. Vor dem Hintergrund des drohenden Fachkräftemangels geht es immer öfter um die Frage: mehr Studium oder weniger Schule?

„Das Hauptproblem, das wir zurzeit haben, ist die Bindung der Fachkräfte an die Einrichtungen“, sagt Michael Selck, Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt in Schleswig-Holstein (AWO) und Kita-Experte der Freien Wohlfahrtsverbände. Diese sind, neben Kirchen und Kommunen, die größten Anbieter und damit Arbeitgeber im Kita-Bereich. Die Beobachtung ist in allen Einrichtungen ähnlich: Nur rund zehn Jahre lang bleiben Erzieherinnen durchschnittlich im Beruf – und Männer sind in den Kitas nach wie vor ein seltener Anblick. Individuell ist der Auslöser für den Weggang oft die Gründung einer eigenen Familie. Insgesamt betrachtet bringen diese vielen einzelnen Entscheidungen gegen den ErzieherInnen-Job die ganze Branche in Schwierigkeiten.

Einen Grund für den Rückzug der Fachkräfte erkennt AWO-Experte Selck im „Praxisschock“ nach der heute eher verschult ablaufenden Ausbildung: „Die Nachwuchskräfte sind während der zweijährigen Schulzeit nur zu Praktika in den Einrichtungen und werden da auf Händen getragen.“ Im Alltag nach der Ausbildung platzten dann allerdings die Träume.

Selck tritt dafür ein, die Ausbildung aus der heutigen verschulten Form zu lösen und in die Einrichtungen zu integrieren – „wie in jedem anderen Beruf auch“, sagt er. „Es kann eigentlich nicht politisch gewollt sein, dass ausgerechnet die klassischen Frauenberufe immer noch außerhalb der Ausbildungsordnung stehen.“

Tatsächlich sind es neben der Ausbildung zur ErzieherIn vor allem die Pflegeberufe – Alten-, Kranken- oder Kinderkrankenpflege –, die in Fachschulen erlernt werden. Eine weitere Besonderheit: Statt Lehrlingsgehalt zu verdienen, muss der Nachwuchs hier sogar noch Schulgeld mitbringen.

In Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein gibt es daher seit einigen Jahren Debatten um die „praxisintegrierte Erzieher-Ausbildung“ (PIA). Gemeint ist eine duale Ausbildung, also Lehre plus Berufsschule. In den ersten Ländern gibt es das Modell bereits, Schleswig-Holsteins Jamaika-Regierungskoalition stellt die Weichen in diese Richtung. Für Selck liegen die Vorteile auf der Hand: „Die künftigen Fachkräfte sind gleich in den Betrieb eingebunden, und sie erhalten während der Ausbildung bereits Geld.“

Arbeiten mit Kindern

Der Titel „Staatlich anerkannteR ErzieherIn“ wird an einer Fachschule für Sozialpädagogik erworben. Die unbezahlte Ausbildung dauert inklusive Praktika je nach Bundesland zwischen zwei und fünf Jahren.

Auch ein Studium an Uni oder Fachhochschule in Pädagogik oder Erziehungswissenschaft ist ein Weg in Richtung Kita, oft mit Leitungsfunktion.

Die praxisintegrierte Ausbildung als ErzieherIn (PIA) gibt es bisher erst in wenigen Ländern. Dabei wird den Auszubildenden Gehalt gezahlt, der Beruf ist aber noch nicht bundesweit anerkannt.

Susanne Rademacher, Kita-Leiterin und bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) im Kieler Landesvorstand für den Kleinkinderbereich zuständig, beurteilt die Lage ganz anders. Bundesweit kämpft die Gewerkschaft gegen die duale Ausbildung, da sie den Nachwuchs schlechter qualifiziere und zudem für Beschäftigte in „Sackgassen“ führe: Berufe wie die „Fachkraft für Kindertagesstätten“ sind eben nicht bundesweit zugelassen. Die Debatte gehe in eine falsche Richtung, sagt Rademacher. „Wenn über Qualität gesprochen wird, scheint offenbar nicht bessere Bildung, sondern längere Betreuung gemeint zu sein. Es wird nicht über Bildungsgerechtigkeit, sondern über die 24-Stunden-Kita debattiert, um die Eltern für die Wirtschaft freizustellen.“

Die vielfältigen Aufgaben, die bei der frühkindlichen Erziehung anfallen, seien ohne gute theoretische Grundlage nicht zu bewältigen, sagt die GEW-Frau: „Fachkräfte brauchen ein Wissen um Bindung, sie müssen die Familienstrukturen analysieren, damit sie die Eltern beraten können, sie müssen etwaige Probleme in der Entwicklung des Kindes feststellen.“ Würde die Ausbildung in die Kita verlegt, gehe das einerseits zu Lasten der ohnehin stark eingebundenen Fachkräfte, andererseits würde dem Nachwuchs weniger Theorie vermittelt als notwendig. „Die GEW fordert weiterhin, den Beruf zu akademisieren.“

Einig sind Arbeitgeber und Gewerkschafterin in einem anderen Punkt: Starke Belastung, immer mehr Aufgaben und zu wenig Personal sind das Hauptproblem der Kitas. „Es ist egal, wie viele Fachkräfte wir ausbilden, wir werden sie verlieren, wenn die Arbeitsbelastung nicht sinkt,“ sagt Rademacher. Selck wendet sich an die Politik: „Wir brauchen andere Personalschlüssel, damit wir mehr Fachkräfte einstellen können.“

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