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Antirebellen begehren auf

Die Führung der Handelskammer und ihr Präses Andreas Bergmann geraten wegen nicht abgeschaffter Pflichtbeiträge zunehmend unter Druck. Nun droht eine Klage

Von außen hübsch anzusehen, drinnen brodelt es gewaltig: Handelskammer Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Von Marco Carini

Wie lange kann sich Tobias Bergmann noch halten? Der Präsident der Handelskammer und seine „Rebellengruppe“, die „Kammer sind wir“, die inzwischen die Wirtschaftsvertretung regiert, geraten zunehmend unter Druck. Immer mehr angeschlossene Unternehmen werfen Bergmann vorsätzlichen Wahlbetrug vor, fordern seinen Rücktritt oder seine Abwahl. Der Grund: Mit dem Versprechen, die hohen Zwangsbeiträge der Kammermitglieder bis 2020 abzuschaffen, hatten die von Bergmann geführten „Kammerrebellen“ die Wahl um die Mehrheit im Kammerplenum gewonnen. Doch Ende Januar kassierte Bergmann die Wahlzusage aus „rechtlichen Gründen“ endgültig wieder ein.

Seitdem hagelt es massive Kritik aus den Reihen der assoziierten Unternehmen. Firmenvertreter wie Vattenfall-Chef Pieter Wasmuth, Jungheinrich-Vorstandschef Hans-Georg Frey oder Budnikowsky-Eigentümer Cord Wöhlke schossen sich auf den 46-jährigen Unternehmensberater ein.

Vergangenen November sagte sich die 500 Jahre alte, mit der Handelskammer eng verbundene „Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns“ von der Kammer los. Vor wenigen Tagen wurde eine alternative Handelskammer gegründet, eine Art Rebellenvereinigung gegen die Kammerrebellen. Vorsitzender des Vereins ist Tom Heinkel, Geschäftsführer eines Hamburger Dienstleistungsunternehmens für die Luftfahrt- und Automobilindustrie. Heinkel hatte Bergmann bereits im Januar zum Rücktritt aufgefordert. Bei den Anti-Rebellen wirken auch viele Getreue der alten Kammer-Garde mit.

Doch damit nicht genug: Die Immobilien-Firma AIM mit Sitz in Groß Borstel, hat jetzt Klage gegen die neue Kammerführung wegen ihres gebrochenen Wahlversprechens eingereicht. Formal geht es in der Klage um die Feststellung der Verpflichtung der Kammer gegenüber ihren Mitgliedern. Denn sein Unternehmen, so argumentiert AIM-Chef Christian Meyer-Helwege, sei nur von Lüneburg nach Hamburg umgezogen, weil die hiesige Handelskammer sich die Abschaffung der Pflichtbeiträge auf die Fahnen geschrieben hatte.

Die Handelskammer

Die Handelskammer Hamburg wurde im Jahr 1665 (damals noch als Commerz-Deputation) gegründet. Sie vertritt als Kammer etwa 160.000 Unternehmen.

Bei den Handelskammerwahlen 2017 erhielten Unterstützer des Bündnisses Die Kammer sind WIR mit 55 von 58 Gewählten die absolute Mehrheit der Sitze in der Vollversammlung der Kammer.

Im April 2017 wurde Tobias Bergmann zum Präses gewählt.

Hans-Jörg Schmidt-Trenz, der umstrittene Hauptgeschäftsführer der Kammer legte im Mai 2017 sein Amt nieder. Sein Jahresgehalt in Höhe von fast 500.000 Euro hatte Bergmann zuvor harsch kritisiert.

Bergmanns Kritiker werfen dem Kammer-Chef vor, schon im Wahlkampf gewusst zu haben, dass die Abschaffung der Pflichtbeiträge nicht umsetzbar sei. Hinter vorgehaltener Hand werfen sie ihm Betrug und arglistige Täuschung vor.

Bergmann versucht mit dem Gegenwind betont locker umzugehen. Es sei völlig „normal“ dass es „in einer demokratischen Institution kontroverse Diskussionen“ gebe.

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