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Jeder gegen alle

Die Mannschaft des 1. FC Köln macht sich an die unmögliche Mission der Abstiegsverhinderung. Doch Vorstand und Fans bekriegen sich aufs Heftigste

Aus Köln Daniel Theweleit

Zuversicht ist eine hohe Kunst in einem Fußballklub, der über Monate ununterbrochen auf dem letzten Tabellenplatz der Bundesliga steht und sich nebenbei auch noch von einem geachteten Vorzeigeunternehmen in ein ziemlich chaotisches Gebilde verwandelt hat. Daher klingt es recht tapfer, wenn Frederik Sörensen vor dem Abstiegskampfgipfel gegen den VfB Stuttgart zum Kölner Stadtanzeiger sagt, er spüre, „dass eine neue Energie in der Mannschaft ist, der Glaube an unsere Stärke ist zurück“.

Die Kölner sind zwar das fünftbeste Bundesligateam der Rückrunde, und Trainer Stefan Ruthenbeck erzählt gerne von seinen Stunden mit dem Tabellenrechner, in denen er mögliche Rettungsszenarien durchspielt. Viele Fans pflegen ihre Hoffnung auf ein Wunder mit einer ähnlichen Mischung aus Demut, Realitätssinn und dem Mut, das Undenkbare zu denken, mit dem sie vor einem Jahr der ersten Europapokalsaison nach einem Vierteljahrhundert entgegenblickten.

Doch der Klub ist zerstritten wie lange nicht. Weil der kleine, krawallbereite Teil des Publikums immer wieder Vereinbarungen missachtet, mit Pyrotechnik Menschen gefährdet und in seinem Umfeld kriminelle Dinge wie zum Beispiel schwere Beschädigungen an Regionalzügen passieren, hat der Klub die Politik des Dialogs und der Kompromissbereitschaft abgebrochen. Begründet wurde dieser Schritt in einem seitenlangen Schrei­ben, das als Abrechnung betrachtet werden kann. Der Verein habe beschlossen, „das angespannte Verhältnis mit der Fanszene weiter eskalieren zu lassen und einen Keil zwischen die Fans und den 1. FC Köln zu treiben“, schreibt das FanBündnis Südkurve e. V. in einer Reaktion, und jeder weiß: Es wird im Kölner Block noch hässliche Szenen geben.

Die Strategie des Klubs besteht darin, die Fans, die sich an die Regeln halten, gegen den extremistischen Teil der Ultraszene aufzuwiegeln. Dass das aktuell klappen kann, wird aber nicht nur im sogenannten Mitgliederrat bezweifelt, der längst auch Teil der internen Zerwürfnisse ist. Bevor der Klub den Brief veröffentlichte, wurden nur drei Leute aus dem 14-köpfigen Gremium über die Eskalationsstrategie informiert – ein Affront, schließlich handelt es sich um ein genuines Mitgliederthema. Und die Vorgänge der Hinrunde, als die Erfolgsära mit Jörg Schmadtke und Peter Stöger endete, bieten ebenfalls einen Konfliktstoff, der nicht ausgeht.

Der Verein will Fans, die sich an Regeln halten, gegen extremistische Ultras aufwiegeln

Je mehr Details über die Zerwürfnisse bekannt werden, desto deutlicher wird ein Grundproblem des 1. FC Köln sichtbar: Die Menschen, die diesen Klub lenken, haben zu wenig und nicht ehrlich genug miteinander kommuniziert. Das war so, als Peter Stöger und Jörg Schmadtke, damals Trainer und Manager, die sogar gemeinsam in Urlaub fuhren, sich im Sommer plötzlich nicht mehr auf eine gemeinsame Transferstrategie einigen konnten. Das war so, als Schmadtke immer mehr zum Hauptschuldigen der sich zuspitzenden Krise wurde und seine Mitstreiter nicht darum bat, ihm zur Seite zu springen, schließlich wurden alle Entscheidungen zusammen getroffen. Und das war so, als im Herbst Schmadtkes Rücktritt im Raum stand und der Vorstand innerhalb weniger Stunden alle juristischen Fragen zur Trennung geklärt hatte, statt den Manager zum Bleiben zu bewegen.

Dieses Vorgehen lasse „tief blicken“, sagte Schmadtke neulich im Interview der Rheinischen Post und FC-Präsident Werner Spinner hält im Magazin 11Freunde dagegen: „Hätte Jörg Schmadtke uns als Präsidium je konkret vor die Wahl gestellt, ob wir an ihm oder am Cheftrainer festhalten, dann hätten wir uns immer für den Geschäftsführer entschieden.“ Die Sprachlosigkeit wurde zur Schlammschlacht um Eitelkeiten, Rechthabereien und Macht, in der alle Fehler gemacht haben. Und dass es am Ende Gewinner geben wird, ist nach wie vor höchst unwahrscheinlich.

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