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: That’s not my name

Den Namen des Ehemannes anzunehmen ist unfeministisch? Nicht unbedingt. Denn den Namen des Vaters abzulegen, kann ein emanzipatorischer Akt sein

Foto: Heiraten ist wieder in – auch unter jungen Großstädtern Foto: Karsten Thielker

Von Sibel Schick

„Behaltet eure Namen“, fordert Autorin Mareike Nieberding auf Zeit Online. Zehn Freundinnen von ihr haben im vergangenen Jahr geheiratet, schreibt sie, „berufstätige, selbstbewusste, kritische junge Frauen“. Sieben von ihnen haben den Nachnamen ihres Mannes angenommen. Nieberding findet das falsch. „Namen sind Geschichte, Erfolge, Traumata, Familie“ – und die sollten junge Frauen doch bitte für sich selbst behalten, anstatt sich via Namensübernahme ihrem Gatten unterzuordnen.

Auch ich bin Feministin. Gerade deswegen habe ich bei meiner Hochzeit den Namen meines Mannes angenommen. Und zwar aus emanzipatorischen Gründen. Die älteste Erinnerung in meinem Leben besteht nur aus einem Ton. Es ist die Stimme meiner Mutter. Sie schreit, mein Vater schlägt sie: „Hör bitte auf! Bitte!“ Sie muss 18 oder 19 Jahre alt gewesen sein. Ihr Gegenüber ist ein Mann, der fast zehn Jahre älter ist als sie.

Um meinen 30. Geburtstag herum schrieb ich diese Erinnerung als Blogbeitrag auf. Kurz darauf rief mein Vater an, mitten in der Nacht. Er hatte den Beitrag gelesen und war wütend, weil er der Meinung war, dass er meine Mutter nicht geschlagen habe. „Vielleicht mal eine Ohrfeige, aber das war’s!“ Ich rief meine Mutter an. Ich musste wissen, ob mein Gehirn mich täuscht. Das hat es wohl nicht. Sie hatte sogar noch mehr zu erzählen.

Im Jahr 2015 habe ich geheiratet und den Nachnamen meines Mannes übernommen. Wir waren seit vier Jahren zusammen, haben zusammengewohnt, haben uns geliebt.

Ich nahm den Namen meines Mannes an: Schick. Aber nicht als Geschenk an ihn. Ich habe es getan, weil ich nicht den Namen meines gewalttätigen Vaters behalten wollte, der meine Mutter und mich traumatisiert hat. Meinen Vater durfte ich mir nämlich nicht aussuchen, seinen Namen auch nicht. Meinen neuen Namen hingegen schon. Ich liebte den Mann, der diesen Namen trug, entschied mich für ihn und für ein Leben als Sibel Schick.

Es fiel mir anfangs nicht leicht, mich an den neuen Nachnamen zu gewöhnen. Aber selbst als die Beziehung zu meinem Mann scheiterte, nahm ich meinen alten nicht zurück. Ich wollte nicht zurück in die Namensfamilie meines Vaters. Unsere Geburtsnamen sind nicht unsere eigenen. Sie definieren uns nicht als Individuen, sondern erinnern uns daran, dass wir Teil einer traditionellen Familie sind, deren Anführer noch immer meist der Namensgeber, also der Mann, ist.

Ich wollte nicht den Namen meines gewalttätigen Vaters behalten

Die Familie ist die Institution, in der wir als Erstes lernen, wie Machtverhältnisse funktionieren. Sie bereitet uns auf das „richtige Leben“ vor, macht uns zu gehorsamen Erwachsenen. Gewalt beginnt in der Familie. Wie viele von uns wehren sich dagegen? Wie viele trauen sich, die Machtverhältnisse innerhalb der eigenen Familie infrage zu stellen, diese bei Familientreffen zu thematisieren? Stattdessen sitzen wir an dem Esstisch mit schicken Porzellantellern und Kristallgläsern vor uns, gekränkt, halten es aus, dass der Vater wieder pöbelt, der Onkel dumme Sprüche macht, bis endlich alles vorbei ist und wir wieder in unser Leben zurückkehren, wo wir das Erlernte reproduzieren dürfen.

Das eigentliche Problem sind doch nicht die neuen Namen. Das eigentliche Problem ist, dass wir überhaupt noch heiraten wollen. Dass wir die Idee so sehr verinnerlicht haben, dass heiraten selbst unter jungen Großstädtern wieder in ist. Die Statistik zeigt: Die Zahl der Eheschließungen nimmt in den letzten Jahren wieder zu. Die überwiegende Mehrheit der Paare mit Kind ist verheiratet.

Ehe und Familie gehören für viele untrennbar zusammen. Bist du verheiratet, scheißegal ob du glücklich bist, dann hast du was im Leben geschafft. Wenn eine Frau ihren Geburtsnamen behalten möchte, sollte sie ihn behalten. Der Siegeszug der weiblichen Emanzipation ist das aber auch nicht.