: „Übereinstimmung erwarte ich nicht“
taz lab-Premiere: Christian Lindner, FDP-Vorsitzender
Von Peter Unfried
Kein Politiker ist in den letzten Monaten so in die Kritik geraten wie Christian Lindner, 39. Die Absage der FDP an eine gemeinsame Koalition mit CDU, CSU und Grünen wird als persönliche Entscheidung des FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzenden Lindner verstanden. Und das nehmen ihm viele übel. Einige, die sich von Jamaika erhofften, dass dieses Bündnis die Veränderungen der Gesellschaft politisch nachvollziehe. Andere, die es selbst immer als tolle Haltung verstanden haben, dem Regieren auszuweichen. Manche, die prinzipiell überhaupt nicht wollen, dass dieser Lindner regiert. Aber eine schwarz-gelb-grüne Jamaika-Koalition hätten sie okay gefunden, was Lindners Position letztlich stützt.
Aus seiner Sicht hätte die FDP keine Chance gehabt, mit und neben Merkel-Union und Grünen Politik in ihrem Sinne voranzubringen. Aus Sicht der Kritiker hat er vor der staatspolitischen Verantwortung gekniffen, nachdem er die FDP aus der außerparlamentarischen Opposition mit satten 10,7 Prozent zurück in den Bundestag geführt hatte.
Was will Christian Lindner wirklich und mit wem will er die dramatischen Veränderungen der postindustriellen Arbeitsgesellschaft gestalten? Das ist die Frage, die wir beim taz lab am 21. April mit ihm besprechen wollen. „Für einen Freien Demokraten ist das taz lab ein unentdeckter Kontinent“, sagt Lindner. „Viel Übereinstimmung erwarte ich nicht, aber Denkanstöße und eine sportive Debatte.“
Die Frage ist, wo Lindner die FDP künftig positioniert im Sechsparteienspektrum. Die Grünen scheinen ihm der notwendige Gegner und Gegenpol zu sein, so wie das auch bei den CSU-Politikern Söder und Dobrindt ist und etwas abgeschwächt bei den Merkel-kritischen CDUlern. Lindner habe das Ende der Merkel-Ära beschlossen, sagt ein Grüner. Das wäre nach heutigem Denkstand auch das Ende einer relativ sozialdemokratischen, relativ liberalen und sehr unökologischen Ära, wie wir sie mit Merkel und Juniorpartnern hatten. Das Unökologische würde bleiben, der Rest verschiebt sich nach rechts?
Lindners Strategie, sagt ein Politikbeobachter, sei die Herbeiführung der politischen Krise. Aus Lindners Sicht hat die FDP durch ihre Entscheidung für die Opposition möglicherweise mehr aufgebrochen, als sie es in der Regierung hätte tun können. Mit Blick auf CDU, CSU, SPD und Grüne sagt er: „Es gibt seither in allen diesen Parteien plötzlich Prozesse, alle müssen sich bewegen, obwohl sie das zum jetzigen Zeitpunkt so nicht wollen. Das könnte eine Zäsur bedeuten.“ Die Frage ist nur, ob zum Besseren.
Es gibt viel zu besprechen. Wir sind sehr gespannt auf dieses Gespräch.
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