: Staatsmacht hängt im Rundling ab
Die Polizei erträgt keine Kritik an der Türkei
Von Sven-Michael Veit
Das falsche Transparent aus dem Fenster zu hängen, kann zu massiven Reaktionen der Polizei führen. So geschehen am Dienstagmorgen in Meuchefitz im Wendland. Dort war es ein Unterstützungstransparent für die Kurden in Afrin, welches den Bewohnern eine Hausdurchsuchung durch eine Hundertschaft Polizeibeamter eintrug. „Afrin halte durch!“ stand auf dem Transparent. Und darunter: „Türkische Truppen & Deutsche Waffen morden in Rojava! Es lebe die YPJ/YPG!“
Wochenlang hing dieses Transparent an der Fassade des als linker Szenetreff bekannten Gasthofs im Rundlingsdorf mit 54 Einwohnern westlich von Lüchow. Bis Dienstagmorgen, dann wurde es von einer vermummten und mit Maschinenpistolen bewaffneten Hundertschaft Polizeibeamter inklusive eines Sondereinsatzkommandos beschlagnahmt und abgehängt. Der Staatsschutz ermittelt wegen „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ gegen einen der Meuchefitzer. Denn, so die Staatsanwaltschaft: „YPG und YPJ gelten als Unterorganisationen der verbotenen kurdischen PKK.“
„Dieser Polizeieinsatz war vollkommen unakzeptabel und überhaupt nicht nachvollziehbar – er wird ein parlamentarisches Nachspiel haben“, sagt die niedersächsische Landtagsabgeordnete Miriam Staudte (Grüne). Die Aktion der Staatsmacht hält sie für überzogen: „Es hätte völlig gereicht, einen Kontaktbeamten vorbeizuschicken und die Sache unaufgeregt zu klären.“
Für Kai Richter, den Sprecher der Polizeiinspektion Lüneburg, ließen es hingegen „frühere Erfahrungen mit dem Ort“ unmöglich erschienen, die Beschlagnahme des Transparents mit einigen wenigen Beamten durchzuführen. „Einfach so wären wir nicht in das Gebäude gekommen,“ sagte er dem Blog wendland.net. Klingt nach Roter Flora in Niedersachsens wildem Osten.
Staudte brachte nun eine parlamentarische Anfrage auf den Weg, in der sie von der niedersächsischen Landesregierung wissen möchte, ob die Durchsuchung ein Alleingang der Lüneburger Polizeidirektion oder mit dem Landeskriminalamt und dem niedersächsischen Innenministerium abgestimmt war. „Ein Einsatz dieser Größe ohne Zustimmung der Landesebene wäre ungewöhnlich“, sagt Staudte.
Zudem will die Grüne wissen, warum Polizei und Staatsanwaltschaft die Behauptung des türkischen Regimes, die YPG sei eine Terrororganisation, unkritisch übernähmen. Selbst der niedersächsische Landtag habe gerade erst eine parteiübergreifende Resolution gegen den türkischen Angriff auf Afrin verabschiedet, ruft Staudte in Erinnerung. Das Transparent gegen die Einsätze mit deutschen Waffen in Krisengebieten sei „mehr als legitim“.
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