Mutter, Tochter, Enge, Krach

Die Grenzen weiblicher Lebensentwürfe in China: Yang Mingmings „Girls Always Happy“ (Panorama Spezial)

Wu, gespielt von Yang Mingming, und ihre Mutter Foto: Still: Berlinale

Von Fabian Tietke

Sino-japanischer Krieg geht immer. Gebannt hängt der alte Mann in „Girls Always Happy“, dem Langfilmdebüt der jungen chinesischen Regisseurin Yang Mingming, wenige Zentimeter vor dem Fernseher, aus dem eine Geschichtsdokumentation über den Krieg zwischen Japan und China in den 1930er und 1940er Jahren plärrt und die glorreiche Rolle der kommunistischen Einheiten in diesem Krieg hochleben lässt.

Die junge Wu und ihre Mutter leben in einem baufälligen Haus in Peking. Wu arbeitet an einem Drehbuch, ihre Mutter hält sich unter anderem dadurch über Wasser, dass sie dem alten Mann vor dem Fernseher die Wohnung putzt und sich um ihn kümmert – nicht zuletzt in der Hoffnung darauf, in dessen Testament berücksichtigt zu werden.

Wu wiederum ist mit einem Independent-Filmemacher zusammen, der versucht, beim Fernsehen Fuß zu fassen. Als er versucht, Wu ebenfalls ans Fernsehen zu vermitteln, kommt es zum Desaster: Wu legt sich schon mit dem ebenso launischen wie despotischen Pförtner beim Sender an und es kommt nicht zum Ankauf ihres Drehbuchs. Wus Mutter wiederum trifft eine alte Liebe wieder und macht sich Hoffnungen auf ein wenig Zärtlichkeit inmitten der Entbehrungen des Alltags. Als dessen Tochter von der Affäre erfährt, ist diese schnell zu Ende; auch Wu beendet ihre Beziehung mit dem Filmemacher. Mutter und Tochter hocken in der Enge der Hütte, in der es durchs Dach regnet, aufeinander und reagieren sich aneinander ab. Beide haben sich gegen den Lebensentwurf entschieden, den die meisten Frauen in „Girls Always Happy“ leben: sich von einem gut verdienenden Mann aushalten zu lassen und diesem den Haushalt zu schmeißen. Aber einfach ist es nicht, diese Entscheidung durchzuhalten.

Die Konzentration auf weibliche Lebensrealitäten hatte schon Yang Mingmings Kurzfilm „Female Directors“ von 2012 geprägt. Zwischen den beiden Filmen arbeitete sie als Cutterin an Yang Chaos „Crosscurrent“ mit, der vor zwei Jahren auf der Berlinale lief. Zu den Stärken von „Girls Always Happy“ gehört die detailreiche Zeichnung der Lebensrealität der beiden Frauen. Die routinierte Erduldung der „Würdigung“ des Großvaters in einer öffentlichen Einrichtung durch Ansprache, Gesangseinlage und Foto mit Einkaufsgutschein belegt das ebenso wie die eingespielten Verrichtungen im Haus.

Trotz dieser Qualitäten zieht sich „Girls Always Happy“. Anders als die Filme der sechsten Generation von Filmemachern wie Jia Zhang-ke wirkt „Girls ­Always Happy“ gleichzeitig zu sehr und zu wenig fiktionalisiert. In den Filmen Jia Zhang-kes weicht die fiktionalisierte Handlung immer wieder dokumentarischen oder quasi­dokumentarischen Sequenzen, die sich in den ruhigen Fluss des Geschehens einfügen. „Girls Always Happy“ hätte man sich sowohl als stärker gestrafften Spielfilm als auch dokumentarfilmartiger vorstellen können. Letzteres legt vor allem die lange Schlussszene nahe, die zu den schönsten des Films gehört.

Mit eben diesen Schwächen belegt „Girls Always Happy“ einmal mehr, dass sich die jüngere Generation von Filmemachern in China schwertut, sich von den Filmen der Generation um Jia abzusetzen. Der künstle­risch-ambitionierte Autorenfilm­ stagniert in China derzeit eher, als dass er durch Regisseurinnen wie Yang Mingming erneuert würde. Die Melancholie, mit denen Jia und andere die gewaltigen Umbrüche Chinas begleiteten, ist in den Filmen der jüngeren Generation der schulterzuckenden Verarbeitung des Alltags gewichen.

23. 2., 14:00 Uhr, International