Neuer Verbund von Bürgerinitiativen: Konkurrenz für Grüne

Bremer Bürgerinitiativen gründen eine Wählervereinigung. 2019 wollen sie ins Parlament. Einer ihrer Sprecher ist der nach rechts abgedriftete Ex-Grüne Olaf Dinné.

Sechs Personen sitzen vor einer braunen Wand, auf die verschiedene Plakate geklebt sind

2014 haben sich die Bürgerinitiativen schon einmal verbündet. Olaf Dinné (3.v.l.) war auch bei der Pressekonferenz dabei Foto: Jan Zier

BREMEN taz | Ein Verbund von Bürgerinitiativen will in Bremen mit einer neuen Wählervereinigung zur Bürgerschaftswahl 2019 antreten. Der Parteienforscher Lothar Probst sieht darin „eine ernstzunehmende Herausforderung für die Grünen“. Deren Parteichef Ralph Saxe reagierte „sehr gelassen“.

Die neue Bewegung selbst teilte zwar in einer dürren Presseerklärung mit, „Mitglieder vieler Bürgerinitiativen aus allen Stadtteilen“ hätten „ohne Gegenstimmen“ beschlossen, zur nächsten Landtagswahl eine eigenen Liste aufzustellen.

Weitere Auskünfte gibt es derzeit aber keine – nicht einmal die Frage, wie viele Menschen welcher Bürgerinitiativen sich da verbündeten, will Olaf Brandtstaedter beantworten, einer der „Sprecher der Versammlung“. Auch zu Inhalten oder Zielen sagt er nichts. „Uns alle eint der Gedanke“, heißt es in der Pressemitteilung, dass „Politik wieder durchschaubar werden und konstruktiv die Interessen der Bürger einbinden“ müsse.

2014 haben sich diese Bürgerinitiativen schon einmal zusammen geschlossen – um mit einem Volksbegehren Bremens Grünflächen vor jedweder Bebauung zu schützen. „Das ist ein wesentlicher Punkt, der alle Initiativen eint“, sagte kürzlich Gerhard Bomhoff, Sprecher einer der beteiligten Bürger­initiativen im taz-Interview.

Es gebe im bürgerlich-ökologischen Umfeld eine „große Unzufriedenheit“ mit dem grünen Bau- und Umweltsenator Joachim Lohse, sagt Lothar Probst, emeritierter Politikwissenschaftler der Uni Bremen.

Kritik an Bausenator Joachim Lohse

Lohse wird auch in den eigenen Reihen immer mal wieder kritisiert. Er mache zwar „vieles richtig“, sagte Bremens grüne Europaparlamentarierin Helga Trüpel – könne aber nicht so gut kommunizieren wie etwa Robert Habeck, sein Amtskollege in Schleswig-Holstein. Parteichef Saxe bemängelt, dass Lohse „nicht so empathisch“ sei, wie die Grünen sich das wünschten.

Auch an der Bürgerbeteiligung im rot-grün regierten Bremen gibt es immer wieder große Kritik. „Der Frust und die Ohnmacht, die wir in den letzten Jahren in unseren Bürgerinitiativen erlebt haben“, habe zu der Überlegung geführt, diese Wählerinitiative zu gründen, sagt Bomhoff, der sich selbst als „politikverdrossen“ bezeichnet und sich „bei keiner Partei mehr aufgehoben“ fühlt.

Die Bürgerbeteiligung sei auch im Vergleich zu anderen von den Grünen mitregierten Ländern „ziemlich unterentwickelt“, analysiert Probst. In Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz sei man da sehr viel weiter, gerade bei Vorhaben größerer Reichweite. In Bremen tue sich da relativ wenig, findet Probst. Dem mag der grüne Landessprecher Saxe zwar „nicht ganz zustimmen“ – was die Transparenz angehe, könne die Bürgerbeteiligung in Bremen aber „noch fortschrittlicher“ sein, sagt er.

Zu wenig Bürgerbeteiligung

Bomhoff moniert, dass die betroffenen BürgerInnen in den Beteiligungsprozessen nur informiert würden und nicht mitentscheiden könnten. „Das ärgert uns wahnsinnig“, sagt er. Planung lägen stets erst dann vor, wenn alles schon eingetütet sei: „Das Einzige, was man da noch mit entscheiden kann, ist die Farbe der Fahrradbügel.“ Bürgerbeteiligung müsse viel früher ansetzen, fordert Bomhoff.

Saxe hat für diese Idee zwar Sympathie, will die Leute aber auch nicht unnötig früh „auf die Barrikaden bringen“, wie er sagt. Stattdessen fordert er auch von seiner eigenen Partei, Entscheidungen noch mehr und noch geduldiger zu erklären. Wenn die Menschen mehr Bürgerbeteiligung forderten, sollten Grüne das „niemals schlecht finden“, sagt Saxe, der auch im Landtags sitzt.

Bomhoff ordnet die neue Wählerinitiative „in der Mitte“ ein, „mit Tendenz nach links“, also im rot-grünen Lager, das derzeit nur mit einer hauchdünnen Mehrheit regiert. Dabei ist Olaf Dinné, einer der Protagonisten der neuen Bewegung, zuletzt eher durch Sympathie für die rechtspopulistische „Bremen muss Leben“-Initiative des 1997 wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhass verurteilten Joachim Siegerist aufgefallen.

„Mozart-Trasse“ verhindert

1968 war der heute 82-jährige Dinné einer der prägenden Figuren der APO in Bremen; später verhinderte er in der SPD die „Mozart-Trasse“, ein monströses Bau-Projekt, das Bremen zu einer autogerechten Stadt machen sollte. Das danken ihm bis heute Viele. 1979 gehörte Dinné der ersten grünen Landtagsfraktion an. Bomhoff sagt: „Wenn auch Konservativere bei uns mitmachen, heißt das nicht, dass wir nach rechtsaußen abdriften.“

Parteienforscher Probst zufolge darf man die Wirkung der neuen Wählerinitiative nicht überschätzen. Ähnlich wie 2007 „Bremen muss Leben“ ist 2011 die bürgerliche Wählergemeinschaft „B+B“ klar gescheitert. Ein Erfolg der neuen Initiative ginge aber vor allem zu Lasten der Grünen, glaubt Probst.

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