: Berlin ist das Mekka des Trash
Indierock ist tot? Der Film „U3000 – Tod einer Indieband“ feierte am Samstagabend im Babylon Mitte Weltpremiere
Von René Hamann
Indierock? Schon lange tot. So oder ähnlich fallen doch inzwischen die meisten Reaktionen aus, wenn man auf lokal bekanntere Bands und ihren Stil rekurriert. Und tatsächlich hat es für die Szene in Berlin einige große Einschnitte und Aderlässe gegeben: das Clubsterben, das für Bands in erster Linie Mangel an Auftrittsmöglichkeiten bedeutet (und sei es als Vorband für internationale Acts); die ebenso an den Rand gedrängten Probemöglichkeiten, von auch in diesem Bereich steigenden Mieten ganz zu schweigen; den Konkurrenzdruck – auf dem eigenen Feld, auf dem benachbarten Feld (Expats, die bei Open Mikes Folkmusik spielen), auf musikalisch ganz anderen Feldern (Techno, Trap, HipHop, you name it).
Kurzum: Der Indierock in Berlin ist tot, und wenn nicht, dann ist er ziemlich blässlich, nachgerade leichenblass, und kränkelt gar schwer.
Umso schöner, wenn dann ein kleiner No-Budget-Film daherkommt, der genau das an seinen Anfang stellt: die Leiche Indierock, verkörpert durch die Leiche eines Schlagzeugers, der mit besten Vorsätzen in zwielichtige Lagen gestolpert ist, allein um der Band ein paar Aufnahmen zu finanzieren. Der Film „U3000 – Tod einer Indieband“ (Regie: Hannes Wesendonk) feierte am Samstagabend beim BIFF, dem Berlin Independent Film Festival im Babylon Mitte, seine Weltpremiere.
Ein netter, kleiner Film, tatsächlich so indie wie möglich, dafür mit ein wenig Starunterstützung: So tritt neben der etwas erfolgreicheren Band Isolation Berlin und dem Underground-Schlager-Techno-Star Tomas Tulpe (muss man sich merken, den Namen) auch Rummelsnuff in einer äußerst lustigen kleinen Rolle auf.
Worum geht es: U3000, die es wirklich gibt, sind eine Indie-Band aus Berlin, die schon mal auf einer Erfolgswelle schwamm, bis es plötzlich abwärtsging und sie auf den Boden der Tatsachen landete. Dieser Boden ist einerseits ein Dachboden, auf dem Sänger Hannes und Gitarrist Mika schlafen müssen, während sich Keyboarder Nathan als Imbissbudenverkäufer verdingt. Der tragische Held ist Schlagzeuger Anska, dem einerseits ein Kind angehängt wird und der andererseits durch krumme Zufälle in die Fänge einer kleinen Spielhöllenmafia gerät. Sehr witzige Idee (das Drehbuch stammt mit von Josefine Rieks, deren Debütroman „Serverland“ dieser Tage im Hanser Verlag erscheint): Er soll, um Geld zu waschen, große Scheine in Kleingeld wechseln und dieses an den Automaten der Betreiber verspielen.
Der Film ist charmant, durchaus lustig, weicht Klischees aus, wo er muss, und wälzt sich lustvoll in denen, die sich anbieten. Drei Dinge fallen in dem Film besonders auf: zum einen, dass Ed Wood, der schlechteste Filmemacher aller Zeiten, um den es in den neunziger Jahren einen von Tim Burton ausgelösten Kult gab, wieder eine Referenz ist. Selten so viel Langstreckenfüllmaterial in einem Film gesehen. Und Einstellungen, die der berühmten Großaufnahme eines Heizkörpers in „Glen or Glenda“ durchaus zur Ehre gereichen.
Zum anderen fällt wieder einmal auf, wie hässlich diese Stadt ist. Besonders wenn sie so ungeschminkt digital gefilmt wird. Womit wir schon bei Punkt drei wären: Irgendwie scheint Berlin noch tief in den Achtzigern zu stecken, von der Atmosphäre und der Architektur her, und das erklärt auch, warum sich Indierock mittlerweile so retrohaft ausnimmt: alles Achtziger! Die Talking Heads! Der Waschbeton, die Spielhallen, die Mietsituationen – es erinnert an Oskar Roehlers Achtziger-Jahre-Persiflage „Tod den Hippies! Es lebe der Punk!!!“, nur dass es heute immer noch so aussieht, auch wenn an allen Enden und Ecken gebaut wird.
Schön auch, wie der Film von Hannes Wesendonk, der Sänger der Band ist, das ironisch mit der großen Currywurst vor dem „Curry at the Wall“ am Checkpoint Charlie ins Bild setzt. Berlin, Mekka des Trash! Zu sehen sein wird der Film hoffentlich bald auf anderen Festivals und in Programmkinos. Die Band U3000, die einst aus Hannover nach Berlin zog, arbeitet unterdessen weiter an neuem Material. Indierock ist tot? Quatsch, er reist einfach durch die Zeiten.
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