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Erheiterung am Auspuffrohr

Die Ausstellung „Drive, drove, driven“ in der Kommunalen Galerie Berlin bietet künstlerische Positionen zum Thema Auto und Straßenverkehr – dekonstruierende Blicke auf den rostigen Unterboden inklusive

Als Zehnjährige notierte die Künstlerin die Markennamen überholender Autos Foto: Foto: Daniela Comani, aus „1975 – Diario di Strada“, 2017

Von Brigitte Werneburg

Die neuesten Nachrichten zum Auto besagen, dass SUVs nach wie vor die bestverkauften Modelle sind. Das ist keine gute Nachricht. Jedenfalls was Klima, Ressourcenverbrauch, Bodenverdichtung und -verlust durch Straßen betrifft oder Luftverschmutzung, Lärm etc. Aber wir können eben nicht vom Auto lassen. Vor allem in seiner Symbolik. Denn funktional betrachtet, braucht in den voll asphaltierten westlichen Industrieländern niemand einen SUV. Genauso wenig bedarf es eines Boliden, der 300 Stundenkilometer fährt. Wäre die Schnelligkeit des Autos nicht der Inbegriff der Moderne und ein Rennwagen deshalb auch schöner als die Nike von Samothrake, wie der italienische Futurist Tomaso Marinetti wusste.

Raum und Zeit definieren

Von der Avantgarde des 20. Jahrhunderts angefangen bis heute ist das Auto ein wesentlicher Gegenstand der modernen und zeitgenössischen Kunst. Besonders bedeutsam ist dabei die Verbindung von Auto und Fotografie. Denn mit Auto und Fotografie fanden sich Ende des 19. Jahrhunderts zwei technische Erfindungen, die unsere Wahrnehmung von Raum und Zeit neu definierten und sie bis heute befehlen. Spannend also zu schauen, nach den „Cars in Contemporary Photography“, wie Matthias Harder seine Ausstellung „Drive, drove, driven“ im Untertitel nennt. Nach Stationen in Omaha, Nebraska und in Innsbruck sind die 23 ausgewählten Positionen jetzt in der Kommunalen Galerie Berlin zu sehen, bevor sie zur letzten Station nach Tokio reisen.

Ein Klassiker des Genres ist der Blick durch die Windschutz- oder Seitenscheibe. Im Fahren zu schauen ist großes Kino, und obwohl, vielleicht aber auch gerade weil Jens Liebchens 2010 entstandene Aufnahme aus der Serie „Crossing L.A./(Melrose Avenue/Harper Avenue)“, im Rahmen des Seitenfensters die bekannte fensterlose, hermetische Fabrikkiste zeigt, wie sie für Los Angeles typisch ist, denkt man sofort an die Musik, die die Fahrt begleitet. Gleichzeitig erinnert man Fotogeschichte, den Protagonisten der New-Topographics-Bewegung Lewis Baltz und seine Aufnahmen der Industrie von L.A. aus den 1970er und 1980er Jahren.

Dem Blick aus dem fahrenden Auto ist auch die Konzeptarbeit von Daniela Comani geschuldet, auch wenn das nicht erkennbar ist. Denn zu sehen sind Fotografien von Kalenderseiten mit merkwürdigem Code sowie Fotografien alter Automodelle. „1975 – Diario di Strada“ erzählt von den Autobahnfahrten der Künstlerin als Kind mit ihren Eltern. Gegen die Langeweile auf der Rückbank begann die 10-Jährige die Nummernschilder der überholenden oder überholten Autos zu notieren und dazu noch die Hersteller- und Markennamen. Diese Notizen ergänzte sie nun, Jahrzehnte später, mit Aufnahmen dieser Modelle, wie sie im Internet kursieren. Meist sind es sachliche Herstellerabbildungen – und trotzdem beschwören viele der Bilder sofort die lässige Mode, Musik und Filme der Epoche herauf.

Überhaupt faszinieren die Bilder, die auf die dysfunktionale Seite des Autos abheben

Das eine oder andere von Comani gefundene Modell könnte sich in den Fotografien von Christian Rothmann wiederfinden – wäre es dort nicht von der Natur bis zur Unkenntlichkeit überwuchert. Der Maler und Fotograf hat am Straßenrand, in ungenutzten Hinterhöfen oder in Wald und Flur vergessene Autos aufgenommen und damit gleichermaßen verwunschene wie surreale Bilder einer Archäologie der Gegenwart geschaffen. Überhaupt faszinieren die Fotografien am meisten, die auf die funktionale oder auch dysfunktionale Seite des Autos abheben.

Der Lehrer an der Neuen Schule für Fotografie in Berlin, Marc Volk, fotografiert etwa die Auspuffrohre parkender Autos, und dieser Blick auf die schmutzige und rostige Unterseite, der den automobilen Glamour dekonstruiert und unserem physischen Leiden am Auto ein Bild gibt, ist merkwürdig erheiternd. Der Glamour fehlt der Unterseite übrigens aus dem ganz banalen Grund, dass sie eben nicht hochglanzlackiert ist, so wie der Rest des Wagens. Im Verkehrsalltag freilich leidet diese Oberfläche, und Oliver Godow, einst Studienkollege von Wolfgang Tillmans Bournemouth & Poole College of Art, hat fotografiert, wie die Schadstellen im Lack repariert und übermalt wurden. Oft stimmt die Farbe nicht ganz überein, und dann schaut das in Godows Dokumentation wie coole, abstrakte Hardedge-Malerei aus.

Matthias Harder, der Kurator der Ausstellung, hat alle diese Bilder als rahmenlose Prints an die Wand gepinnt, was dem Ganzen eine leichte, unaufdringliche Anmutung gibt. Man glaubt so eine vergnügliche Tour d’horizont anzutreten, findet sich dann aber auch in den 18 anderen Positionen mit formal wie inhaltlich beachtlichen und kritischen Bilder konfrontiert, wie es dem Thema Auto angemessen ist.

Bis 8. April, Kommunale Galerie Berlin, Hohenzollerndamm 176, Di.–Fr. 10–17 Uhr, Mi. 10–19 Uhr, So. 11–17 Uhr

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