: Brexit-Übergang: kurz und hart
EU-Konzept für die „Übergangszeit“ empört Londons Brexit-Unterstützer
Aus Brüssel Eric Bonse
Knapp sechs Wochen nach der vorläufigen Einigung auf einen Scheidungsvertrag droht neuer Streit zwischen Großbritannien und der EU. Die Europäer fordern, dass sich London auch nach dem Brexit allen EU-Regeln sowie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unterwirft – für eine Übergangszeit.
Die Debatte kreist um die Übergangsphase, die nach dem förmlichen Austritt Großbritanniens aus der EU am 29. März 2019 beginnen soll. Premierministerin Theresa May hatte diese „Umsetzungsphase“ selbst gefordert. Ziel war ursprünglich, Bürgern und Unternehmen den Abschied aus der EU zu erleichtern. Sie sollten, so May bei einer Grundsatzrede in Florenz im September, „ungefähr zwei Jahre“ Zeit bekommen, sich an die zukünftig geltenden Regeln zu gewöhnen. In der Zeit werde der Status quo weiter gelten und Großbritannien werde auch weiter seine EU-Beiträge zahlen.
Doch die Europäer machen May nun offenbar einen Strich durch die Rechnung. Bei einem Ministertreffen steckten sie am Montag in Brüssel die gemeinsame Linie für die geplanten Verhandlungen über die Übergangsphase ab. Dabei zeichnete sich eine kompromisslose Linie ab.
So soll die Übergangsphase deutlich kürzer ausfallen als von May geplant. Bereits am 31. Dezember 2020 soll Schluss sein. Denn dann endet auch die laufende Haushaltsperiode der EU. Wenn die Übergangsphase länger dauern würde, so müssten sich London und Brüssel auch noch über mögliche zusätzliche Ausgleichszahlungen einigen.
Zudem soll Großbritannien während des Übergangs weiter alle EU-Regeln anwenden – auch neue, die nach dem Brexit beschlossen werden könnten. Gleichzeitig soll London aber jegliche Mitsprache bei EU-Beschlüssen verlieren. In Streitfällen soll auch weiter der Europäische Gerichtshof in Luxemburg das letzte Wort haben – London wäre dagegen machtlos.
Die britischen EU-Gegner sehen darin einen Verrat an ihren Zielen. Brexit-Hardliner Jacob Rees-Mogg, Vorsitzender der einflussreichen European Research Group innerhalb der konservativen Regierungsfraktion, wähnt Großbritannien schon auf dem Weg zum „Vasallenstaat“. Die Brexiteers waren beim Referendum am 23. Juni 2016 mit dem Slogan „Take back control“ angetreten – und fürchten nun, dass ihr Land stattdessen die Kontrolle über sein Schicksal verlieren könnte.
Die Brexit-Hardliner verlangen nun ein härteres Auftreten ihrer Regierung in Brüssel. Brexit-Minister David Davis fordert Presseberichten zufolge, neue EU-Regeln nach dem Brexit müssten in London geprüft werden können, bevor Großbritannien sie übernehme.
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