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Kunst ohne Probleme

Im Bremerhavener Kunstverein behauptet Acci Baba, den ganz großen Weltfragen auf den Grund zu gehen. Statt sein Publikum herauszufordern, gibt’s dumpfe Belehrungen

Von Radek Krolczyk

Wer auf seiner eigenen Website von sich behauptet, er betreibe in seinem Werk die „Suche nach der Neuinterpretation des universalen Seins“, der hat sie nicht mehr alle. Ein Künstler, der so etwas von sich schreibt, muss sich für eine Mischung aus Newton, Ford und Hegel halten: eine Synthese, von der man gehofft hatte, sie sei aus der Liste angesagter Künstlerrollen verschwunden. Ist sie aber nicht. Schließlich gibt es so erfolgreiche Künstler wie Ai Weiwei, Matthew Day Jackson und Julius von Bismarck. Auf der Suche nach dem universalen Sein ist nun auch der aufstrebende Acci Baba.

Im Bremerhavener Kunstverein zeigt er derzeit unter dem sakral-bescheuerten Titel „ab aeterno“ (seit Anbeginn der Zeit) einige abstrakte Bilder in Acryllack, vor allem aber Videos und dazugehörige Requisiten: sich selbst drehende Kleider, ein Ameisenvolk auf einem geometrischen Gerüst und ein Affe, der Nietzsche rezitiert. Die Filme sind auffallend aufwendig produziert, ihre Ästhetik ist so glatt, als kämen sie aus einer Werbeagentur.

Acci Baba ist nun gar nicht so alt, wie man ihn sich vorstellt, weise und fast körperlos, bestehend nur aus einem langen Bart und vielen, vielen Falten. 1977 wurde er in Kamakura, in Japan geboren; er studierte zunächst in Tokio Media Studies in Environmental Information und wurde danach als Videokünstler bekannt. Seine Filme wurden auf internationalen Festivals gezeigt und ausgezeichnet; vor allem in Japan, aber auch in Utrecht, London und Los Angeles. Heute lebt er in Berlin. Welche Antworten hat er auf die ganz großen Fragen? Begnügen wir uns fürs erste mit den Titeln einiger der dort ausgestellten Arbeiten: „White Void“, „code of silence“, „eternal return“, „exodus“, „genesis“. Figuren wie Zarathustra, König Midas und Buddha sind auch mit von der Partie. Maximaler Pathos, maximale Größe, darunter geht es nicht in Acci Babas Werk. Ob es Brüche innerhalb der Arbeiten Acci Babas gibt? Nein!

Nietzsches Wanderprediger Zarathustra immerhin ist eine komplizierte Figur, ausgestattet mit Kritik und Vision, geplagt von der Möglichkeit zu scheitern und sich seiner eigenen Lächerlichkeit bewusst. Acci Baba hat 2016 einige Zitate aus Nietzsches Werk in seinem Kurzfilm „eternal return“ verwurstet. Dieser läuft in einer riesigen Projektion als Hauptattraktion der Show. „Verwurstet“ ist tatsächlich ein passender Begriff – denn Nietzsches widersprüchliche Gestalt liegt hier schön mundgerecht zwischen den Baguettehälften, mit Senf und fetter, fader Remoulade.

Maximaler Pathos, maximale Größe, darunter geht es bei Acci Baba nicht

Der Film zeigt einen sprechenden Affen. Genauer gesagt: seine mögliche traurige Zukunft. Denn dieses Tier ist eigentlich kein Lebewesen mehr, sondern ein Monitor, auf den nur sein Gesicht übertragen wird. Der Bildschirm und die angebaute Festplatte sind die Prothesen eines Wesens, das über keinen eigenen Körper mehr verfügt. Es ist ein Bild wie aus einem dystopischen Film, der nach der Zerstörung der Erde spielt. Der Affe klagt mit Nietzsche das Scheitern der Menschheit an. In Babas Inszenierung klingt an, der Mensch hätte den trostlosen Zustand zu verantworten, er sei gescheitert. Ein beeindruckendes und erschreckendes Bild, keine Frage. Aber doch nur ein Allgemeinplatz.

Denn diese Affen-Metapher wird viel zu oft bemüht. Der Weg unserer technisierten und militarisierten Gesellschaft in den sicheren Untergang ist ein abgeschmacktes Bild aus der Welt langweiliger Zeitungskarikaturen. Baba hat einen Zeigefingerfilm gedreht, der keine Fragen offen hält. Wahrscheinlich weil er selbst keine hat. Das Gesicht des sprechenden Affen ist das eines weisen, alten Mannes, der bereits alles gesehen hat. Es ist nicht vermessen zu behaupten, der Affe sei ein Alter Ego des Künstlers selbst, der sein Publikum belehrt, anstatt es mit Fragen zu konfrontieren. Man bemerkt keine schwierige Entscheidung, keine Unsicherheit oder wenigstens eine Ambivalenz. Schlechte Künstler haben die Weisheit mit Löffeln gefressen, gute Künstler haben Pro­bleme.

Bis 11. März, Kunstverein Bremerhaven

Der Autor ist Betreiber der Galerie K’

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