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Spielhöllen

Die Verhandlungen über eine Verschärfung der Glücksspielgesetze sind verschoben – derzeit blockiert die Jamaika-Koalition in Kiel, die eher auf eine Liberalisierung aus ist. Dabei müsste dringend etwas geschehen: Das zeigt ein Besuch in der niedersächsischen Spielhallen-Hochburg Salzgitter schwerpunkt 43–45

Szenen aus Salzgitter I: Reinkommen ist leichter als Rauskommen Foto: Andrea Scharpen

Von Esther Geißlinger

Bunte Farben, blinkende Lichter: Daddel-Automaten stehen in Kneipen oder Spielhallen, in Kaufhäusern oder Bahnhöfen. Für viele Deutsche sind sie ein Einstieg ins Glücksspiel – und sie sind ein milliardenschwerer Wirtschaftsfaktor.

Deutschland versucht, das Glücksspiel durch Regeln zu bändigen – und scheitert. Bereits die Rechtslage ist schwierig, einige Bereiche fallen in Bundes-, andere in Landesrecht. Zudem sind die Länder uneins. Ein neuer Glücksspielstaatsvertrag sollte 2018 in Kraft treten, nun wird ab Februar weiterverhandelt.

Zur Ehrenrettung der Politik: Der Vertrag will einen Kreis zum Quadrat biegen, was nie einfach ist. Gleichrangige Ziele sind, „die Entstehung von Spielsucht zu verhindern“ und „durch ein begrenztes Angebot den natürlichen Spieltrieb in geordnete Bahnen zu lenken“ und damit „Schwarzmärkten entgegenzuwirken“. Gerade letzteres klappt eher nicht.

Es geht um einiges, denn die Deutschen sind ein Volk der Spieler und Zocker. 2015 wurden 90 Milliarden Euro verdaddelt, so der Evaluationsbericht des Landes Hessen zum Staatsvertrag. Davon landeten 61 Prozent, 55 Milliarden, in den Automaten, Casinos oder Lotterien des regulierten, also vom Staatsvertrag erfassten Marktes. 35 Milliarden Euro verschwanden auf dem Grau- und Schwarz-Markt, der vor allem im Internet stattfindet.

Der neue Staatsvertrag sollte wenigstens den Graubereich der Sportwetten regeln. Im März 2017 hatten sich die Länder darauf geeinigt, aber eine Landtagswahl später kam ein Nein aus dem Norden: Schleswig-Holstein, nun von CDU, Grünen und FDP regiert, torpedierte die Vorlage. Mal wieder, denn bereits 2012 hatte Kiel unter Schwarz-Gelb einen Sonderweg eingeschlagen.

Aktuell sprach sich die Parlamentsmehrheit im Kieler Landtag dafür aus, Online-Casinos und Pokerspielen den Zugang zum legalen Markt zu erlauben – und damit regulieren zu können. Zwar sind seit 2015 einige Online-Angebote wie das der „Fernsehlotterie Aktion Mensch“ erlaubt, sie machen aber nur einen Bruchteil des Angebots aus.

Schon 2012 waren Abgeordnete des Kieler Landtags zur „Sylt-Sause“ und nach Malta gereist – auf Kosten der Glücksspielbranche. Der ehemalige Tennisstar Boris Becker und der ehemalige Fußballmanager Reiner Calmund hatten einen bemerkenswerten Auftritt im Kieler Landtag, bei dem sie erzählen durften, wie schön Sportwetten im Internet sind.

Trotz dieser seltsamen Umstände bleibt es im Ansatz richtig, die Online-Spiele aus dem Schwarzbereich herauszuholen. Rund 200 ausländische Unternehmen tummeln sich auf dem deutschen Markt, und der wächst rasant. Die Brutto-Spielererträge – eine zynische Kernzahl der Branche, die die Verluste der Spieler meint – stieg von 1,7 Milliarden im Jahr 2013 auf 2,3 Milliarden im Jahr 2015. Und die meisten, die über deutschsprachige Seiten in die Online-Casinos eintreten, wissen nicht einmal, dass sie ihre Kontodaten auf Servern in Steuerparadiesen preisgeben und kaum eine Chance haben, gegen Betrug vorzugehen.

Schwer zu beziffern sind die Steuereinnahmen, die dem Staat entgehen, aber zum Vergleich: Für den legalen Bereich betragen die Abgaben rund 5,7 Milliarden Euro. Suchtexperten warnen, dass die schnellen Internet-Spiele ebenso heftig in die Abhängigkeit ziehen wie die Daddel-Automaten.

Noch sind die Automaten mit rund 20 Milliarden Euro Umsatz der dickste Fisch beim Glücksspiel, mit ihnen beginnt oft die Spielsucht. Fast alle Länder haben darum Mindestabstandsregeln erlassen, damit Spielwillige nicht so schnell von einer Halle zu nächsten wechseln können. Auch die Zahl der zulässigen Geräte pro Halle wurde deutlich reduziert.

Aber der Widerstand der Betreiber wächst. Sie warnen vor dem Verlust zahlreicher Arbeitsplätze – laut einer Studie des Handelsblatt Research Instituts beschäftigt die Branche bundesweit fast 200.000 Menschen.

Und sie ziehen vor Gericht, etwa gegen das Land Niedersachsen, das per Los entscheiden wollte, welche Hallen schließen müssen und welche nicht. In Nordrhein-Westfalen, wo die verschärften Regeln Ende 2017 griffen, droht Ähnliches. Nur ein Teil der Kommunen traut sich deshalb, auf die sofortige Schließung der überzähligen Spielhallen zu drängen.

Man könnte nun Wetten darauf abschließen, wer sich am Ende durchsetzt.

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