: Zerreißprobe: 120 Minuten Trump
In seiner ersten Rede zur Lage der Nation lobt US-Präsident Donald Trump sich vor allem selbst und verzichtet auf unflätige Angriffe
Von Dorothea Hahn , New York
Die Ansprache zur „Lage der Union“ ist für jeden US-Präsidenten eine Gelegenheit, Bilanz zu ziehen und eigene Erfolge zu preisen. Donald Trump hat sie am Dienstagabend im Kongress ausführlich genutzt. Der unpopulärste Präsident seit Jahrzehnten hielt eine der längsten „State of the Union“-Reden der US-Geschichte. Er nutzte sie, um sich selbst für ein Sammelsurium von Dingen zu preisen, von denen einige das Ergebnis seiner Politik sind, andere von seinem Vorgänger stammen und wieder andere keiner Faktenüberprüfung standhalten.
Unter anderem nannte er die Steuerreform (die er fälschlich als „die größte der US-Geschichte“ bezeichnete), er sprach vom Ende der „jahrzehntelangen unfairen Handelspolitik“ (womit er die Aufkündigung von Nafta und TPP meint), von der Schaffung neuer Arbeitsplätze (die er als Rekord bezeichnete, obwohl sie sich seit Barack Obamas später Amtszeit verlangsamt hat) und die Eröffnung von ein paar Autofabriken (von denen er als Kehrtwende schwärmte, obschon auch in den letzten Jahren Autofabriken in den USA eröffnet haben).
Die US-Öffentlichkeit nahm Trumps Worte so gespalten wahr wie alles, was von Trump kommt. Während er sprach, fand vor dem Kongress eine linke Protestdemonstration statt. An zahlreichen Orten des Landes organisierten Frauengruppen, Gewerkschaften und Demokraten eigene Diskussionen zur Lage der Nation. Und ein Teil der demokratischen Kongressabgeordneten – insbesondere Frauen und Afroamerikaner – blieben seinem Auftritt demonstrativ fern.
Die anwesenden Demokraten lauschten Trumps 120 Minuten langer Rede weitgehend unbewegt. Als er in einem Atemzug Einwanderer und kriminelle Banden erwähnte, buhten einige den Präsidenten aus.
Vor Trumps Auftritt hatte das Weiße Haus verbreitet, er würde eine versöhnliche und „positive“ Rede halten. In der es, so wörtlich, „um uns alle, gemeinsam, ein Team, ein Volk und eine amerikanische Familie“, gehen werde. Tatsächlich vermied er persönliche Angriffe gegen in- und ausländische Politiker. Sein konkretester Vorschlag war eine Einwanderungsreform auf „vier Pfeilern“ – die sich aus Reformen für Einwanderer und mehr Grenzschutz zusammensetzt. Unter anderem will er 1,8 Millionen Einwanderern einen – zwölf Jahre langen – Weg zur Staatsangehörigkeit eröffnen. Zugleich hält er am Bau einer Mauer fest, will die Green-Card-Verlosung abschaffen und will den Familiennachzug stoppen, der bei ihm „Ketteneinwanderung“ heißt.
Trump sprach erneut von den „Infrastrukturmaßnahmen“, die er schon in seinem Wahlkampf angekündigt, seither jedoch nicht vorangetrieben hatte. Allerdings machte er keine konkreteren Ankündigungen als ein Jahr zuvor.
Zu den Kriegen und internationalen Krisen der USA äußerte Trump sich spärlich. Er sagte nichts zu Afghanistan, wo er die Truppenzahlen aufgestockt hat und wo in den letzten Tagen mehrere schwere Attentate stattgefunden haben. Hingegen beschrieb er den Kampf im Irak gegen den IS als Erfolg. Versicherte, dass er weiter hart gegen die „Diktaturen im Iran, in Kuba, in Venezuela und in Nordkorea“ vorgehen werde. Erklärte, dass er das Internierungslager in Guantanámo behalten werde. Und kündigte eine Modernisierung und den Ausbau der US-Atomwaffen an. Ein Ausstieg aus der Atombewaffnung sei „vielleicht“ eines Tages möglich, sagte Trump.
Am ausführlichsten widmete Trump sich seinen geladenen Gästen. Unter ihnen eine Frau von der Küstenwache, ein Feuerwehrmann, ein Irak-Kriegsveteran und ein nordkoreanischer Deserteur. Sie alle beschrieb er als Helden.
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