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„Wir sind eine Subkultur“

Die Bremer Theatergruppe Wilde Bühne spielt ihr Stück „Wir gegen die Anderen“ im Ostkurvensaal. Regisseurin Köckeritz über Fußball, Ultras, Gewalt und Rechtsradikalismus

Ganz nach dran: Schauspieler mimt Fan Foto: Karsten Klama

Von Milena Pieper

taz: Frau Köckeritz, was ist „Green Madness“ für eine Gruppe?

Jana Köckeritz: Green Madness sind ungefähr 40 Leute. Auf der Bühne sind zwölf zu sehen. Die Fan-Gruppe gerät nach einem Überfall von innen und von außen stark unter Druck und wird auf eine Zerreißprobe gestellt – auch wegen rechtsextremer Tendenzen innerhalb der Gruppe. In unserem Stück geht es darum, was eine Ultra-Gruppe wie Green Madness ausmacht.

Und was ist das?

Es geht viel um Fangesänge und Choreographien. Und um Loyalität und einen Familienzusammenhalt, der vielleicht sogar noch stärker ist als in einer Familie. In dem Stück ist die Frage, was passiert, wenn es zu einer Straftat kommt.

In einer Szene spricht Dennis, einer der Ultras, mit einem Polizisten. Er ist betrunken und aggressiv und sagt „Sie werden nichts aus mir rauskriegen“ …

Ja, der Ehrenkodex spielt eine zentrale Rolle. Und auch, dass Fußballfans eingeschüchtert werden und deswegen nicht mit der Polizei reden. Das Stück arbeitet mit Rückblenden und die Polizei möchte herausfinden, was passiert ist.

Zeigen Sie konkrete Szenen aus dem Werder-Stadion?

Es deutet alles auf Werder hin, aber Werder wird nie genannt. Ich gehe regelmäßig ins Stadion und wir waren mit der ganzen Wilden Bühne zur Recherche in der Ostkurve. Der Überfall im Stück ist an den Überfall auf die Ostkurve angelehnt, als 2007 Neonazi-Hooligans jüngere, antifaschistische Ultras überfallen haben. So spielt auch die Geschichte der Szene in Bremen eine Rolle. In dem Stück geht es aber auch um die Spaltung von rechten und linken Strömungen innerhalb der Szene, was in Bremen nicht unbedingt der Fall ist. Also die Kurve selbst ist hier ja relativ links.

Haben Sie im Stadion Rassismus erlebt?

Natürlich hört man da auch mal einen Spruch. Aber als das Stück entstanden ist, sind da in Bezug auf Rassismus eher Dinge eingeflossen, die man zu der Zeit von anderen Stadien gelesen hat. Wenn jemand hier in der Ostkurve was Rechtsextremes rufen würde, kommt das nicht gut.

Wie haben Sie einen Zugang zur Ultra-Szene gefunden?

Das Bremer Fan-Projekt ist auf uns zugekommen und hat gefragt, ob wir nicht ein Stück zu dem Thema machen wollten. Auch Fanprojekte aus anderen Städten haben uns eingeladen, dort zu spielen. Die Premiere war schon 2013.

Ist es dann überhaupt noch aktuell?

Ich glaube, das Thema hat nicht an Aktualität verloren, sondern eher an Brisanz gewonnen. Durch den Kontakt zum Fanprojekt haben wir auch Kontakte in die Ultra-Szene bekommen. Wir waren da ganz nah dran. Ein Ultra hat uns ein Banner für das Stück gesprayt. Und uns haben verschiedene Ultra-Gruppierungen besucht. Einer wollte nur am Telefon mit uns sprechen. Es war total spannend, einen Einblick in die Szene zu bekommen. Und auch zur Polizei hatten wir Kontakte. Im Laufe der Zeit waren zwei Hundertschaften bei uns und haben sich das Stück angeschaut. Das war für die Schauspieler nochmal eine ganz andere Herausforderung.

Wer sind die Schauspieler von Green Madness?

Foto: privat
Jana Köckeritz

44, hat vor 15 Jahren die Wilde Bühne mitgegründet und ist eine der beiden Regisseurinnen von „Wir gegen die anderen“.

Die Wilde Bühne ist ein Theaterensemble aus ehemals drogenabhängigen Menschen. Zur Zeit sind wir 14 Leute zwischen 23 und 62 Jahren. Ich glaube, die Ultras haben auch mit uns gesprochen, weil wir auch eine Subkultur sind und nicht die klassischen Schauspieler. Unsere Leute kennen Auseinandersetzungen mit der Polizei oder haben vielleicht Gewalt erlebt. Ich denke, man kann sich da dann nochmal ganz anders hineinversetzen. Am Anfang war auch ein Ultra aus Köln dabei, der mitgespielt hat. Der hat sich selbst Ultra und Hooligan genannt.

Stellt das Stück die Ultra-Szene überspitzt dar oder ist das tatsächlich real?

Naja, so richtig reingekommen sind wir auch nicht in die Szene. Uns wird aber gespiegelt, dass wir das ganz gut getroffen haben. Wir sind aber zum Beispiel mehr Frauen als in echt in der Szene, glaube ich. Und eine Ultragruppe hat uns zum Beispiel gesagt, unsere Darstellung sei zu plakativ. Es ist ein Versuch und ich glaube, dass es sehr interessant ist, jetzt im Ostkurvensaal zu spielen, wenn dann vielleicht auch Ultras dabei sind.

Wen soll das Stück noch erreichen?

Ein interessiertes Theaterpublikum und ein Publikum, das sich für Fußball interessiert und sagt: „Ich verstehe nicht, was da los ist.“ Und auch Leute, die Vorurteile haben. Natürlich gibt es in der Szene Gewaltaffinität, aber das heißt ja nicht, dass man sich nicht mal angucken kann, wer das überhaupt ist. Theater bietet eine tolle Chance, sich zu begegnen.

Vorstellung am 8. Februar um 19.30 Uhr im Ostkurvensaal

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