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Linke und Kurden kritisieren Demo-Ende

Abbruch mit Ansage: Weil viele Teilnehmer verbotene Fahnen des PKK-Führers Abdullah Öcalan schwenkten, löste die Polizei eine friedliche Großdemonstration am Samstag auf

PKK-Führer Abdullah Öcalan wird von seinen kurdischen Anhängern kultartig verehrt. Die PKK gilt in Deutschland als Terrororganisation, Fahnen wie diese auf der Demo in Köln sind daher verboten Foto: Roland Geisheimer/attenzione

Aus Köln Andreas Wyputta

Der kurdische Dachverband Nav­ Dem und die Linkspartei haben den Abbruch der kurdischen Großdemonstration am Samstag in Köln kritisiert. Ein Sprecher von Nav Dem sagte, man habe ein Zeichen setzen wollen für Frieden. Dass auch die Abschlusskundgebung gestrichen wurde, nannte er „Polizeirepression“. Linkspartei-Che­fin Katja Kipping, die ursprünglich auf der Kundgebung sprechen sollte, nannte den Abbruch „Einen Kniefall vor Erdoğan“.

Mehr als 20.000 Menschen hatten am Samstag am Rhein gegen den türkischen Militäreinsatz im kurdischen Nordsyrien protestiert. Doch die Polizei hatte ihre Demonstration angehalten und dann aufgelöst. Es sei kistenweise verbotenes Material sichergestellt worden, sagte eine Polizeisprecherin. Zudem mussten die Sicherheitskräfte einige Male bei kleineren Auseinandersetzungen zwischen Türken und Kurden eingreifen. Es habe einen Verletzten gegeben, wobei aber nicht klar sei, ob der Fall mit der Demo zusammenhänge. Am Montag werde genau bilanziert.

In Sichtweite des Kölner Doms hatte Kipping ihrem Ärger am Samstagnachmittag Luft gemacht. Der autoritäre türkische Staatschef führe gegen die überwiegend von Kurden bewohnte Stadt Afrin einen „Vernichtungs-Angriffskrieg“, so die Parteivorsitzende. Eine Verurteilung der Invasion durch die Bundesregierung sei überfällig – ebenso wie der Rückzug deutscher Soldaten aus Awacs-Aufklärungsflugzeugen der Nato.

Von Polizeiketten abgeriegelt und von Hundertschaften eingekesselt standen die Demonstranten derweil wenige Meter entfernt auf der Zeug­hausstraße. Trotz Verbots haben sie zuvor Hunderte Fahnen mit dem Bild von PKK-Führer Abdullah Öcalan geschwenkt – die in der Türkei verbotene Arbeiterpartei Kurdistans wird auch in der Bundesrepublik als terroristische Vereinigung eingestuft. Auf das Angebot der Polizei, sie ohne Öcalan-Fahnen weiterziehen zu lassen, gingen die Demonstranten nicht ein.

Linkspartei-Chefin Katja Kipping nannte den Abbruch einen „Kniefallvor Erdoğan“

Der Polizeikessel war deshalb ein Ende mit Ansage: Wegen verbotener Symbole hatte sich der Demo-Zug schon am Mittag mit einer Stunde Verspätung in Bewegung gesetzt. „Jeder darf hier demonstrieren – sobald die Öcalan-Fahnen raus sind“, sagte Polizeisprecher Wolfgang Baldes dazu.

Dabei blieb die Protestaktion, zu der die PKK-nahe Kurdenorganisation Nav Dem aufgerufen hatte, weitgehend friedlich. Es herrschte beinahe Volksfeststimmung: Viele der DemonstrantInnen mit zumeist kurdischem Migrationshintergrund freuen sich einfach, dass der Hunderte Meter weite Platz prall gefüllt ist. Von einem zum Lautsprecherwagen umfunktionierten alten Mercedes-Lkw kritisieren RednerInnen die Offensive des „türkischen Faschisten Erdoğan“ gegen Afrin immer wieder scharf: Das Militärbündnis „Demokratische Kräfte Syriens“, dessen Kern die Kurdenmiliz YPG stellt, klagte bereits am Freitag über 59 tote und 134 verletzte ZivilistInnen, darunter auch Frauen und Kinder. Erdoğan sei selbst „Terrorist“, „Frauenmörder“, „Kindermörder“, skandierten die DemonstrantInnen.

Der türkische Präsident beteuert dagegen, sein Militär habe „kein Blut von Frauen, kein Blut von Unschuldigen an den Händen, und das wird auch nie passieren“. Ziel der türkischen Offensive sei es aber, die gesamte, faktisch unter kurdischer Selbstverwaltung stehende Region Rojava, in der Afrin liegt, bis zur irakischen Grenze „von Terroristen säubern“ zu wollen. Eingesetzt werden dabei auch von Deutschland gelieferte Panzer vom Typ Leopard 2. In der Kritik der Kölner DemonstrantInnen steht deshalb auch die Politik der SPD. (mit dpa)

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