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Korrektheit, die etwas verbirgt

„Unvergleichlich“: Das Bode-Museum zeigt Kunst aus Afrika. Und stellt sie den Ikonen der westlichen Kunstgeschichte gegenüber

Von Sophie Jung

Emmanuel Macron will bedeutende Stücke aus afrikanischen Sammlungen in Frankreich wieder an die Herkunftsländer zurückgeben. Das kündigte er im November vor Studenten in Ouaga­dougou an. In Berlin ziehen die ethnografischen Sammlungen vorerst nur von der Peripherie ins Zentrum. Noch bevor das Humboldt Forum in zwei Jahren eröffnet, zeigt eine Ausstellung im Bode-Museum, was sich vielleicht einmal hinter der Barockhülle des Berliner Schlosses abspielen könnte. „Unvergleichlich“ heißt diese schöne wie schwierige Schau. Und schon der vorsichtige Titel, der eigentlich das ganze Unternehmen der Schau schon wieder delegitimiert, verdeutlicht: In Berlin bleibt man zaghaft, nichts von einer französischer Offensive.

Natürlich wird über die gesamte Ausstellung hinweg verglichen. Beeindruckende Kunstwerke der afrikanischen Sammlung, vornehmlich aus dem untergegangenen Königreich Benin im heutigen Nigeria, stellen die Kuratoren mit Einzelwerken des Bode-Museums gegenüber. Die Statuetten, Büsten, Throne und Zepter einstiger Herrscherdynastien, von denen man hierzulande kaum gehört hat, stehen in den beladenen Sälen des Museums den bekannten Ikonen der westlichen Kunstgeschichte gegenüber, den Marien, den Putti, den Heiligen des Christentums. Eine ebenbürtige Gegenüberstellung vollkommen unterschiedlicher Künste. Alles sind Meisterwerke.

Der Vergleich mit dem jeweils Anderen setzt einen eigenen Erkenntnisprozess in Gang. Dinge, Themen, ganze Kulturstränge werden durch die Unterschiedlichkeit von Bildern evident: Die demutsvolle Weiblichkeit einer Schutzmantelmadonna aus dem 15. Jahrhundert offenbart sich etwa gerade im Vergleich mit der scharfen Androgynie einer Königinmutter aus dem 16. Jahrhundert. Es entstehen schöne, befreiende Momente in dieser Ausstellung. Das Erleben der afrikanischen Kunstwerke entfernt sich von ihrer üblichen Rezeption. Keine Suche nach ästhetischer Ursprünglichkeit oder Primitivismus.

Trotzdem wird die Ausstellung von der Schwere der Kolonialgeschichte besetzt. Die Kuratorinnen weichen diesem Konflikt mit Political Correctness aus: Modisch-linke Themen wie Gender und Performance bieten Interpretationsmuster, die intelligent lavierenden Texte zeigen einen Duktus der Selbstkritik. Dabei entsteht das Gefühl, diese Korrektheit verberge etwas. Wenn zum Beispiel erwähnt wird, dass angolanische Masken oder die bis zur Unkenntlichkeit mit spirituellem Material versehenen Kraftfiguren aus dem heutigen Kongo nur im Zusammenhang mit performativen Ritualen zu betrachten seien, wie Reliquiare für christliche Prozessionen, muss man sich dabei aus den Datenangaben selbst zusammenrechnen, dass die afrikanischen Stücke zum Zeitpunkt ihres „Erwerbs“ offenbar noch in Gebrauch waren.

Ein Thron aus Angola wird als „wichtigstes Stück“ der Chokwe-Herrscher beschrieben, erstellt vermutlich im frühen 20. Jahrhundert. „Erworben“ wurde der Thron 1938 von einem Hermann Baumann. Da ist ein Kunstwerk wohl einer aktiven Kulturpraxis entrissen worden. Zu diesem Zeitpunkt war das europäische Pendant in der Ausstellung – ein Retabel mit der heiligen Familie aus dem 16. Jahrhundert – schon längst als Sammlungsstück dem religiösen Gebrauch entzogen.

Die Geschichte der afrikanischen Objekte haftet fest an ihnen, sie ist unübersehbar

Diese Ausstellung versucht, einen unvoreingenommenen, ästhetischen Blick auf die afrikanischen Werke zu werfen und blendet dabei die schwierigen Teile ihrer Geschichte aus. Schon das eröffnende Figurenpaar in der Basilika des Bode-Museums verdeutlicht, wie unmöglich dieses Unternehmen ist: eine frontal an den Betrachter gerichtete Prinzessin oder Gottheit aus dem früheren Königreich Benin und ein gewundenes Donatello-Putto von 1428/1429. Beide gleich groß, beide aus Bronze, beide erwarben die Berliner Museen um 1900 in London.

Während das polierte Metall die subtile Erotik der Donatello-Figur unterstreicht, ist der ebenmäßige Rücken der weiblichen Figur von zwei dicken Zahlencodes verunstaltet: IIIC10864 ist die noch immer aktuelle Inventarnummer des Museums, 9794 ist Zeugnis eines älteren, unbekannten Klassifizierungssystems, vermutlich des Händlers der britischen Kolonie, zu der das Königreich Benin gehörte.

Diese klassifizierenden Ziffern, die sonst zum Schutz der Kunstwerke an unsichtbaren Stellen angebracht sind, zeigen: Die Geschichte dieser afrikanischen Objekte haftet fest an ihnen, sie ist unübersehbar. In der Ausstellung wird sie aber nicht konkret erzählt. Dabei nennen die Kuratorinnen schon einige ihrer Protagonisten: Hermann Baumann, Oskar Lenz oder Konsul Eduard Schmidt.

Bis 27. Oktober, Bode-Museum

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