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Rudolf Balmer über #MeToo und Deneuves halbe EntschuldigungSchockierend nützlich

Mitgefangen, mitgehangen, sagt der Volksmund. Das gilt auch für Catherine Deneuve, die wegen ihrer Unterschrift unter einem sehr polemischen offenen Brief gegen die #MeToo-Kampagne in Frankreich im Kreuzfeuer der Kritik steht. Jetzt hat sie sich für die von ihr unbeabsichtigten Folgen und hässlichen Nebenerscheinungen bei den Opfern entschuldigt. Das ist ein bisschen einfach und reicht nicht, um die bittere Enttäuschung bei vielen aufzuwiegen.

Deneuve galt bisher als eine Wortführerin für Frauenrechte, jetzt wird sie der peinlichen Nähe zu den „Schweinen“ bezichtigt, die auf Twitter mit dem Hashtag #BalanceTonPorc angeprangert werden.

Eines darf man ihr zubilligen: Der provokative Text, in dem von grassierendem „Männerhass“ die Rede war und eine für die sexuelle Freiheit legitime Anmache und „Belästigung“ postuliert wurde, hat gezeigt, wie dringlich es ist, Grenzen klarer zu definieren. Auch sonst so intelligenten Frauen wie Deneuve scheinen gewisse Rechtfertigungsversuche von Machtmissbrauch einzuleuchten. Das schockiert.

Genau das ist aber der nützliche Aspekt dieser Polemik. Es sollte nicht mehr möglich sein, sexuelle Belästigung oder Aggression als „Kavaliersdelikt“ zu verharmlosen oder sogar zu einem Kulturgut des französischen ­„Savoir-vivre“ zu erklären. Eine der Grenzen haben die Unterzeichnerinnen des Pamphlets selber überschritten, indem sie den Grapschern in der Metro mildernde Umstände zuerkennen und den Opfern sagen, sie sollen sich nicht so zieren.

Dieser Affront gegenüber den Opfern ermöglicht es aber zu präzisieren, dass es in Wirklichkeit keine Missverständnisse oder Grauzonen geben kann, mit der sich belästigende Männer herausreden können. Zwischen einem missglückten Flirt und einer verbalen oder tätlichen Belästigung liegen Welten. Wer das nicht begreift, ist entweder beschränkt oder stellt sich – „de mauvaise foi“ (mit verlogenen Beteuerungen) – vorsätzlich blöde.

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