: Ein bisschen Entschuldigung
Die Schauspielerin Catherine Deneuve bittet nach Kritik an #MeToo-Bewegung Gewaltopfer um Verzeihung,den Beitrag verteidigt sie jedoch weiter. Derweil sorgen ihre Mitunterzeichnerinnen weiter für Skandale
Aus Paris Rudolf Balmer
Die Schauspielerin Catherine Deneuve hat sich nach der umstrittenen Kritik an der #MeToo-Bewegung mit „schwesterlichen Grüßen“ bei Opfern sexueller Gewalt entschuldigt. „Ich würdige alle Opfer dieser verabscheuungswürdigen Taten, die sich durch den Artikel in Le Monde beleidigt fühlen, ihnen und ihnen allein biete ich meine Entschuldigung an“, hieß es in einem Beitrag, den die Tageszeitung Libération am Wochenende veröffentlichte.
Seit Tagen steht Deneuve am Pranger der öffentlichen Empörung. Sie war die wohl bekannteste von 110 Unterzeichnerinnen eines Briefs in der Le Monde, der vor einer „Kampagne der Denunziation“ und einem „Klima einer totalitären Gesellschaft“ als Konsequenz der #MeToo-Bewegung warnt. Darauf bekamen die Frauen heftige Kritik ab: Vielen erschien es unverständlich, dass jemand wie Deneuve eine Stellungnahme gutheißen konnte, die im Namen der sexuellen Freiheit und des Kampfs gegen eine puritanische Moral die Belästigung von Frauen verteidige.
Deneuve rechtfertigt sich nun zwar, aber ohne vom umstrittenen Text auch nur ein Komma zurückzunehmen. Nach wie vor sieht sie in der Kampagne #MeToo oder in Frankreich #BalanceTonPorc (wörtlich: Prangere dein Schwein an) in Frankreich eine Form der Lynchjustiz: „Ich mag diesen Trend unserer Epoche nicht, bei der jeder und jede sich berechtigt fühlt, andere zu verurteilen, zu richten und zu verdammen.“
Sie argumentiert dazu: „Inwiefern ist dieser Hashtag etwa keine Aufforderung zur Denunziation? Wer kann mir garantieren, dass es sich nicht um Manipulation oder ein niederträchtiges Manöver handelt? Dass es (deswegen) nicht Suizide von Unschuldigen geben wird?“
„Nichts in diesen Zeilen behauptet, dass Belästigung etwas Positives sei. Andernfalls hätte ich das nie unterzeichnet“, erklärt die Schauspielerin. Sie beharrt darauf, dass sie aus „Freiheitsliebe“ ihre Unterschrift gegeben habe.
Gegen die Darstellung, sie falle dem Feminismus in den Rücken, verwahrt Deneuve sich, indem sie in Erinnerung ruft, dass sie schon 1971 zusammen mit Marguerite Duras, Françoise Sagan und 340 anderen mutigen Frauen mit einem Selbstbezichtungsappell (Brief der „343 salopes“) für die Legalisierung der Abtreibung gekämpft hatte. Das wolle sie auch gewissen neuen, aber falschen Freundinnen sagen, die sich jetzt mit ihr solidarisieren.
Gemeint sind damit reaktionäre und ultrakonservative Politikerinnen wie Christine Boutin und Nadine Morano, die Deneuves Stellungnahme verteidigen, gewöhnlich aber eher auf der politischen Gegenseite stehen. „Ich bin nicht naiv, wenn Konservative, Rassisten und TradionalistInnen mir aus strategischen Gründen ihre Unterstützung zusichern. Ich bin ihnen dafür nicht dankbar, ganz im Gegenteil. Ich bin und bleibe eine unabhängige Frau.“
Distanzieren musste sich Deneuve aber auch von gewissen Initiatorinnen oder Mitunterzeichnerinnen des offenen Briefs, etwa von der ehemaligen Pornodarstellerin Brigitte Lahaie. In einer Fernsehdebatte hatte die Feministin Caroline de Haas darüber gesprochen, wie Gewalt und Vergewaltigungen das sexuelle Vergnügen der Opfer einschränke. Darauf entgegnete Lahaie ihr, bei einer Vergewaltigung könne eine Frau durchaus einen Orgasmus haben. Damit hatte die Provokation einen Tiefpunkt erreicht.
Auch an der Schriftstellerin und Brief-Mitautorin Catherine Millet, vor allem bekannt für ihren Erfolg „Das sexuelle Leben der Catherine M.“, nahmen viele Anstoß: Sie hatte schon vor etwa einem Jahr öffentlich gesagt, sie bedauere es, selber nie vergewaltigt worden zu sein: „Denn ich könnte so bezeugen, dass man mit einer Vergewaltigung fertig wird.“ Auch Deneuve zeigte sich von solchen Aussagen schockiert und erklärte, da werde den Opfern buchstäblich „ins Gesicht gespuckt“.
Allerdings: Waren solche mehr als peinlichen Entgleisungen denn nicht voraussehbar? Die Initiatorinnen des Textes wollten von Beginn an ein möglichst breites Spektrum von Persönlichkeiten vereinen – das ist ihnen auch gelungen. Doch die Argumente mancher Unterzeichnerinnen tragen dazu bei, ein von Beginn an fragwürdiges Unterfangen definitiv in die Sackgasse zu bringen.
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