Demo friedlich, Atomkraftgegner verfolgt

Selbst nach Einschätzung der Polizei verliefen die Castortransporte vom Juni „reibungslos“. Dennoch sollen jetzt hunderte Atomkraftgegner, darunter viele Jugendliche, durch Bußgeld- und Strafverfahren eingeschüchtert werden

AHAUS taz ■ Drei Monate nach den friedlichen Demonstrationen gegen die Castor-Transporte ins Zwischenlager Ahaus macht die Borkener Kreispolizei weiter Druck auf Atomkraftgegner. Gegen hunderte Demonstranten läuft derzeit ein Bußgeldverfahren, außerdem wurden einzelne Strafverfahren eingeleitet. „Wir haben 270 Anhörungsbögen verschickt“, bestätigt Paul Büssow, Sprecher der Polizei im Kreis Borken. Die Castorgegner seien Platzverweisen der Polizei nicht gefolgt – und müssten nun mit Bußgeldern zwischen 50 und 100 Euro rechnen. In Ahaus hatten im Juni mehrere tausend Menschen gegen die Einlagerung hochgiftigen Atommülls aus dem ehemaligen DDR-Forschungsreaktor Rossendorf bei Dresden protestiert.

„Unrechtmäßig“ sei das Vorgehen der Polizei, halten Anti-Atom-Aktivisten dagegen. „Das ist ein klar politisch motivierter Einschüchterungsversuch“, so Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen. „Skandalös“ sei das Vorgehen der Polizei, findet auch Felix Ruwe, Sprecher der Bürgerinitiative Kein Atommüll in Ahaus: Besonders hart geht die Polizei gegen Schülerinnen und Schüler vor, die in Eigenregie eine spontane Demo organisiert hatten. Zusammen mit ihren Eltern mussten sie zu teilweise stundenlangen Vernehmungen erscheinen. „Ohne Durchschrift mussten die Jugendlichen seitenlange Protokolle unterschreiben“, sagt Ruwe – und attestiert dem Demokratieverständnis der Polizei „erhebliche Mängel“. Möglichst frühzeitig wolle die Polizei „die künftige Protestgeneration in Ahaus mundtot machen“, glaubt auch Eickhoff.

Gegen Eickhoff selbst gehen die Ordnungshüter noch härter vor. Angeblich soll der Atomkraftgegner die nicht angemeldete spontane Schülerdemo organisiert und so gegen das Versammlungsrecht verstoßen habe. Völlig unbegründet seien die strafrechtlich relevanten Vorwürfe, sagt Eickhoff: „Wie ich zu dieser Ehre komme, weiß ich beim besten Willen nicht.“

Auch die restlichen Vorwürfe der Polizei dürften den Verwaltungsaufwand hunderter Verfahren kaum rechtfertigen. Zwar kamen viele Demonstranten beim ersten Castor-Transport viele Atomkraftgegner dem Aufruf zur Räumung einer Kreuzung tatsächlich nicht nach. Der Castor aber nahm eine völlig andere Route mitten durch das kleine Städtchen Heek – die geforderte Räumung der Straße war daher völlig unnötig. „Damit war das Vorgehen der Polizei unverhältnismäßig. Platzverweise wie Bußgeldbescheide hätten nicht erteilt werden müssen“, argumentiert der Anwalt Wilhelm Achelpöhler aus Münster.

Auch beim zweiten Castor-Transport ging die Polizei willkürlich vor, kesselte hunderte Demonstranten plötzlich ein und behandelte sie erkennungsdienstlich. Der Borkener Landrat Gerd Wiesmann (CDU), damit auch Chef der Kreispolizei, hält das Vorgehen seiner Polizei dennoch für unbedenklich. „Die Verfahren werden weiterlaufen“, so Wiesmanns Sprecher Karl-Heinz Gördes zur taz: „Der Landrat wird von seinem Ermessensspielraum keinen Gebrauch machen.“ ANDREAS WYPUTTA