: Berühren, bittersüß
Claudio Monteverdi war einer der ersten Popmusiker. Beleg: der Lamentobass. Diese absteigende Viertonfolge, die sich immer und immer wiederholt, wurde von Monteverdi oft verwendet und hat sich bis heute im Pop gehalten.
Ein schönes Beispiel für den Lamentobass ist Monteverdis „Lamento della ninfa“, mit dem die CD „La dolce vita“ der Sopranistin Dorothee Mields und der Lautten Compagney eröffnet. Die Zusammenstellung bringt Arien, Madrigale und Concerti aus Monteverdis verschiedenen Madrigalbüchern und Opern. Zugleich ist die Auswahl der Sängerin Mields auf den Leib geschneidert, ergibt ein Porträtalbum, wenn man so will.
Leicht irreführend oder gar heimtückisch ist dafür der Titel. Das Leben, genauer: Liebesleben, das geschildert wird, ist allenfalls bittersüß, zeugt mehr von den Abgründen der Liebe als von unbekümmerter Serotoninüberschüssigkeit.
Auch hat Mields’Gesang wenig von der üppigen Süße, die man bei Opernsängerinnen finden kann. Mields ist eine Meisterin der Zurückhaltung, des „So wenig wie-möglich“. Sie bringt ein Maximum an Ausdruck in ihre klaren Töne, deren Virtuosität sich darin zeigt, wie leise sie diese formen kann, mit einem Vibrato, das erst dann ansetzt, wenn der Ton schon wieder verklingt. Die Berliner Lautten Compagney unter Wolfgang Katschner unterstützt sie in diesem wunderbar sparsamen Dezibeloutput nach Leibeskräften. Ein stiller Triumph.
Leise Töne schlägt auch der Pianist Alexei Lubimov auf „Tangere“ an. Seine CD mit später Klaviermusik Carl Philipp Emanuel Bachs überrascht durch die Wahl eines raren Tasteninstruments: des Tangentenflügels aus dem 18. Jahrhundert. Die Konstruktion zwischen Cembalo und Hammerklavier hat Lubimov für den Bach-Sohn ausgesucht, da dieser während seiner rund 30 Jahre in Berlin am Hof Friedrichs II. Zugang zu allen damals verfügbaren Klavierarten hatte.
Strenggenommen stammt die Musik auf „Tangere“ zwar aus Bachs anschließender Hamburger Periode. Egal. Passt dieser zirpig-holzige Flügel doch bestens zu den affektbetonten, gern melancholischen Stücken des Komponisten. Noch ein stiller Triumph. Tim Caspar Boehme
Monteverdi: „La dolce vita“, Dorothee Mields, Lautten Compagney (DHM/Sony)
Carl Philipp Emanuel Bach: „Tangere“, Alexei Lubimov (ECM/Universal)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen