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Südsee-Sehnsuchtssound aus Hannover

Ohne Hermann Weißenborn wäre das schluchzende Glissando der Hawaii-Gitarre nie in Serie gegangen

Von Benno Schirrmeister

Wenn Südsee-Sehnsucht ein Klang ist, dann doch wohl jenes charakteristisch glucksende Aufwärts-Glissando der Hawaii-Gitarre. „Dieser Klang ist eigentlich ein umgekehrter Seufzer“, hat die Musikwissenschaftlerin Cornelia Szabó-Knotik einmal festgestellt, und dabei auf „eine verblüffende Geschichte kulturellen Austausches“ hingewiesen, die sich im musikalischen Exotismus vermittele.

Zurecht: Denn schon in der Entwicklung des Instruments verbindet sich die Kunst des hawaiianischen Genies Joseph Kekuku mit norwegischem Ingenieursgeschick, verrückten Zufällen und Einflüssen von dort, wo der Wunsch nach Sonne, Palmenstrand und Schönheit drängender ist, als in der restlichen Welt. Also Hannover.

Laut Adressbuch lebte dort noch im Jahre 1901 in der Lange Straße 7, direkt neben der St. Clemens Basilika, der Instrumentenmacher Hermann Weißenborn. Dorthin war er kurz zuvor aus der Ihmebrückstraße gezogen, 1895 hatte er noch als „Pianofortefabrikant“ firmiert, Am Kanonenwall: Die einzige seiner Straßen, die es heute noch gibt. Das Haus dort ist aber auch weg – Bombentreffer. Die Lücke hat man vor langer Zeit durch einen gelbgeklinkerten Klotz gefüllt.

Weißenborn ist kein Kind des Glücks. Bei seiner Ankunft in New York wird er 1902 das „ß“ verlieren, auch führen ihn die Einwandererlisten als Witwer. Mehrere Jahre lang soll er in einer Klavierfabrik gearbeitet haben. Ab 1912 versucht er dann in Los Angeles Fuß zu fassen. Mit Fritz Pulpaneck aus Königsberg, den er in New York kennen gelernt hat gründet er einen Laden: „Violin-Maker“, nennen sich die zwei, Geigenbauer. Doch so einer ist Weißenborn nun mal nicht, anders als Pulpaneck, dessen Amati-Kopien sich in Los Angeles gut verkaufen. Die zwei trennen sich.

Und dann trifft Weißenborn das Glück. Sein Glück trägt den Namen Concepcíon Ybarra, stammt aus Mexiko und arbeitet als Hausmädchen für ihn. In der Freizeit lernt sie Gitarre, und zwar bei Charles S. De Lano. Der ist ein Schüler von Joseph Kekuku aus La’ie auf O’ahu, Hawaii, und Kekuku ist in den USA der wohl berühmteste Gitarrist seiner Zeit: wegen seiner innovativen Spielweise. Mit Akribie hat John W. Troutman in seinem 2017 erschienenen grandiosen Buch „Kika Kila“ nachgezeichnet, wie Kekuku durch Zufall die Möglichkeit entdeckt und durch beharrliches Experimentieren perfektioniert hat, auf einer Gitarre genau jenes Glissando zu erzeugen, das den imaginären Sound von Hawaii ausmacht: Er hat sie aufs Knie gelegt, lang schwingende Stahlsaiten benutzt und ist diese, statt mit den Fingern zu greifen, mit einem flachen Metallstück entlang gefahren; das Prinzip der Steelguitar.

Ein eigenes Instrument wird daraus unter den Händen des 1866 aus dem norwegischen Kaff Hermansverk eingewanderten Gitarrenbauers Johann Chrisian Kammen alias Chris Knutsen: Er verstärkt den Klang noch durch einen hohlen Hals. Genau so eine Gitarre leiht De Lano seiner Schülerin. Und wegen eines kleineren Defekts gibt Ybarra sie weiter an Weißenborn. Der Mann aus Hannover weiß, wie Sehnsucht klingt, und er erkennt ihre Komponenten: Er baut sie nach, geht mit ihr in Serie, wird reich. Und heiratet – Concepción Ybarra..

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