Die Wahrheit: Auf Mausbesuch

Ein Kleintier zu halten, hätte immerhin einen Vorteil: Würde es erkranken, könnte man endlich den wortspielgewandten Tierarzt anrufen …

Neuerdings spiele ich mit dem Gedanken, mir ein Haustier zuzulegen, ich dachte an eine niedliche kleine Maus. Mäuse sind pflegeleicht, sie sind fleißig und sehen lustig aus, wenn sie mir morgens aus dem Mauseloch heraus beim Frühstück zugucken und den Kopf schräg auf die Pfoten legen. Das kenne ich aus meinem Weihnachtsbuch.

Sie helfen zudem beim Krümelaufräumen und nähen mir in ihrer Freizeit Kleider, während sie mit hohen Stimmchen singen: „Wir wolln nähen, wir wolln nähen für die arme Cinderella! / Rasch, das Kürzen, Schleifen, Schürzen / Dann wird sie sicher lachen / O ja, das wolln wir machen / denkt an alle Sachen! / unsre liebe gute kleine Cinderella!“ Wobei man den Tierchen statt „Cinderella“ nur schnell noch „Jenni Zylka“ beibringen müsste, aber das ist ja die gleiche Silbenanzahl.

Und wenn sich doch mal eine Maus beim Nähen das Pfötchen sticht oder einen meiner vielen großen Schuhe auf das Köpfchen bekommt und blutet, dann kommt das Beste: Ich darf endlich den Tierarzt anrufen, der seit einer Weile auf sogenannten Deckenflächenplakaten in der Berliner U-Bahn annonciert, und zwar mit dem Slogan „Die Tierärzte – Katz fatz da und Hund um die Uhr!“ Das ist zugegeben der allerbeste Slogan, mit dem je eine Tierarztpraxis geworben hat. Aber wie werden die sich erst freuen, wenn ich dort anrufe und frage: „Machen Sie auch Mausbesuche?!“ Hui, das wird fein.

Vielleicht freunde ich mich sogar mit einem jener sprachgewandten Tierärzte an und darf ein wenig in der Praxis herumlungern und ihn bewundern – für ein Praktikum bin ich zu alt. Oder ich darf mitfahren, wenn er aufs Land muss, um dort mit armlangen Gummihandschuhen hinten in kranke Kühe hin­ein­zufassen, so wie bei „Der Doktor und das liebe Vieh“, aber vielleicht muss ich dabei auch nicht unbedingt zuschauen, wenn ich’s mir recht überlege.

Dennoch ist die Veterinärmedizin beeindruckend – während Menschenärzte sich ja meist auf ein Gebiet spezialisieren, überschaubare zweiunddreißig Zähne oder mickrige zwei Lungenflügel, und damit schon genug zu tun haben, würde ich gern wissen, wie man sich gleichzeitig alles über alle Fische und alles über alle Affen und alles über alle Käfer merken kann. Wobei ich nicht sicher bin, ob Insekten tatsächlich krank und dann vom Tierarzt behandelt werden können – andererseits, wahrscheinlich bekommt eine findige Veterinärmedizinerin demnächst sogar einen Nobelpreis, wenn sie herausbekommt, wieso die Westliche Honigbiene ausstirbt. Und ich habe auch schon Marienkäfer gesehen, denen es nicht gut ging.

Die Nummer aus der U-Bahn habe ich mir jedenfalls prophylaktisch ins Handy gespeichert, auch wenn das mit dem Mäuschen bislang nur angedacht ist – Gracie, die alte Hündin aus dem dritten Stock, schleicht in letzter Zeit immer so asthmatisch die Treppen hinauf, dass sie dabei sogar von der Seniorin aus dem vierten überholt wird. Aber keine Sorge, wenn was ist, hole ich Hilfe. Hund um die Uhr.

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.