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Gute Freunde kann niemand trennen, auch nicht in Sachsen

Der neue Ministerpräsident Michael Kretschmer baut sein Kabinett um. Alte Bekannte bekommen Posten, dafür muss unter anderem der Kultusminister nach nur acht Wochen wieder gehen

Das Grummeln über diese Entscheidung Kretschmers ist schon jetzt spürbar

Aus Dresden Michael Bartsch

Am feierlichsten wirkte bei der Ernennung des neuen sächsischen Kabinetts am Montagmittag der „Bienenkorb“, der repräsentativste Saal der Sächsischen Staatskanzlei. Ansonsten wurde viel gelacht oder mindestens geschmunzelt. Als der Neue in dem ehemaligen königlich-sächsischen Innenministerium mit der goldenen Dachkrone die Ernennungsurkunden überreichte, hatte das eher etwas von kumpelhaftem Schulterklopfen als von bemühtem Ernst. Allein schon Statur und jugendliches Auftreten von Ministerpräsident Michael Kretschmer kollidieren mit der majestätischen Aura des Gebäudes.

Dass aber nicht alles neu und im Politikstil ganz anders wird, zeigt der Blick auf die teils überraschende Kabinettsliste. Ein Déjà-vu-Effekt stellt sich ein. Michael Kretschmer, Roland Wöller und Christian Piwarz – diese drei Namen las man vor genau 13 Jahren schon einmal gemeinsam in der Zeitung. Die sächsische Union hatte damals ähnlich wie heute eine erdrutschartige Niederlage bei der Landtagswahl 2004 zu verkraften. Die Verluste von 15,8 Prozent signalisierten vor allem den fehlenden Biedenkopf-Bonus nach dessen Rücktritt 2002. Drei junge Wilde in der CDU Sachsen verfassten vor dem Landesparteitag damals eine Denkschrift zu den „hausgemachten Problemen“ der Union. Nun ist Kretschmer Ministerpräsident und beruft Wöller als Innen- sowie Piwarz als Kultusminister. Wahre Freundschaft soll nicht wanken.

Für Roland Wöller bedeutet dies ein unerwartetes Comeback. Der Professor und ehemalige Landesvorsitzende der Jungen Union war nach Ministerposten im Umwelt- und im Kultusministerium seit 2012 abgetaucht. In jenem Jahr brach der drohende Notstand in der Unterrichtsversorgung auf. Nun soll er als Innenminister für ein besseres subjektives Sicherheitsgefühl der Sachsen sorgen. Der bisherige Amtsinhaber Markus Ulbig muss dafür seinen Posten räumen.

Mit dem gleichen Schulproblem wie 2012 soll sich nun Wöllers ehemaliger JU-Amtsnachfolger Christian Piwarz befassen. Der 42-jährige Jurist fiel bislang im Landtag als erzkonservativer Wadenbeißer im Amt des Parlamentarischen Geschäftsführers der Unionsfraktion auf, nicht aber durch Bildungskompetenz. Reputation bei der gestressten Lehrerschaft wird er sich erst noch erwerben müssen. Sein parteiloser Vorgänger Frank Haubitz, der als Schulleiter aus dem Milieu kam und als Minister die Verbeamtung von Lehrern vorantreiben wollte, muss nach nur acht Wochen Amtszeit wieder gehen. Das Grummeln über diese Personalentscheidung Kretschmers ist schon jetzt spürbar.

Die sprichwörtlich gute Vernetzung Kretschmers als ehemaliger Bundestagsabgeordneter führt Matthias Haß aus dem Bundesfinanzministerium an die Spitze des heiklen sächsischen Finanzressorts. Ein freundlicher, aber bestimmter Mann, dessen Laufbahn in Dresden begann und dessen Frau Referatsleiterin im Wissenschaftsministerium ist. Auch der ehemalige Büroleiter von Ex-Ministerpräsident Georg Milbradt, der Kretschmer 2007 zum CDU-Generalsekretär machte, taucht wieder auf. Oliver Schenk wird die Staatskanzlei leiten.

Die übrigen Minister, darunter die drei von der SPD gestellten, dürfen bleiben. Bis Ende Januar will die neue Landesregierung den murrenden Sachsen ein 100-Tage-Programm vorlegen und bis zur Landtagswahl 2019 Terrain zurückgewinnen. Ex-Ministerpräsident Stanislaw Tillich war nach dem schlechten Bundestagswahlergebnis der Sachsen-CDU zurückgetreten.

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