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Innovative Farbfotografie

Die Möglichkeiten des Mediums sind noch lange nicht ausgeschöpft: Joel Meyerowitz und Torbjørn Rødland bei C/O Berlin

Von Lorina Speder

„Why Color?“ heißt die umfangreiche und äußerst gelungene Retrospektive des amerikanischen Fotografen Joel Meyerowitz im C/O Berlin. Ja, warum fotografierte der New Yorker Künstler schon 1962 in Farbe? Damals galt nur die Schwarzweiß-Fotografie als Kunstform. Zusammen mit dem Kurator der Ausstellung Felix Hoffmann steht Meyerowitz während des Presserundgangs im C/O Berlin Frage und Antwort. „Ich sehe mehr Inhalt in der Farbfotografie“, sagt er. „Außerdem hatte ich am Anfang wirklich keine Hoffnung, meinen Leben mit Fotografie zu bestreiten.“ Es sei ihm deswegen leicht gefallen, die alten Werte in der Fotografie infrage zu stellen. Der 1938 geborene Amerikaner nennt das Fotografieren in Farbe seine erste innovative Idee, die er bis heute verfolgt. Auch wenn sich im C/O Berlin einige Schwarzweiß-Aufnahmen von Meyerowitz befinden, präferiert der charismatische New Yorker heute seine farbigen Abzüge, die er größtenteils selbst in seiner Dunkelkammer in Manhattan herstellte. Er hat sogar dem verwegen Vorschlag Felix Hoffmann zugestimmt, statt neuer Ausstellungsprints, die originalen Erstabzüge zu zeigen, auch wenn sie teils schlecht gealtert sind.

Vor einer Gegenüberstellung von Motiven, die er ab 1965 für ein paar Jahre stets doppelt einfing – erst mit einer Kamera, in der ein Schwarzweißfilm eingelegt war und wenige Momente später mit einem zweiten Apparat in Farbe – erklärt Meyerowitz die Besonderheiten der Farbabzüge. Er wendet sich dem Bild mit einem am Wasser gelegenen grünen Sportplatz und einem darüber schwebenden Zeppelin zu. „Die blaue Spiegelung des Meeres auf der Unterseite des Zeppelins – das kommt nur in Farbe zum Vorschein“, sagt er lächelnd.

In einem anderen Abzug vergleicht er rote Farbtupfer in einer sonst dunklen fotografischen Komposition mit Klang. „Für mich machen die roten Kappen der uniformierten Männer ein „Ping““, sagt er und erhöht seine Stimme am Schluss. Auch wenn er kein Musiker ist, begreift er seine Bilder als Sounds. Seine Street Photography aus den 60er und 70er Jahren enthält viel Musikalisches. Wie ein Jazzer experimentierte er in großen Städten inmitten der vorbei laufenden Menschen mit Perspektiven. Ganz dicht am Geschehen fing er alltägliche Momente ein – ein Gedränge in Manhattan oder einen Mann, der 1967 vor einer Metro-Station in Paris zu Boden stürzte. „Heute werde ich die ganze Zeit gefragt, ob das Bild gestellt sei“, sagt er kopfschüttelnd. Er wäre nie auf die Idee gekommen, Bilder zu inszenieren. „Die Situation in Paris war absurd. Der Mann stürzte und keiner kam ihm zu Hilfe“, erinnert er sich.

Neben den Ausflügen in die Hauptstädte Europas, eindringlichen Porträts und Landschaftsbildern fokussierte Meyerowitz 2001 wieder auf seine Geburtsstadt New York. Als einziger Fotograf verbrachte er kurz nach 9/11 ganze Tage auf dem Ground Zero und half, wo er konnte. Obwohl Bürgermeister Giuliani das Fotografieren verboten hatte, schaffte er es, die historisch wichtigen Situationen einfangen. Die eindrücklichen Bilder der dort entstandenen Serie „Aftermath“ berühren. Sie sind im C/O Berlin über ein großes Foto gehängt, welches vier Tage vor dem 11. September aus Meyerowitz’ Studio in SoHo gemacht wurde. Die Twin Towers am südlichen Ende von Manhattan stechen dort noch aus der Skyline heraus.

Er begreift er seine Bilder als Sounds. Seine Streets aus den 60er und 70er Jahren haben viel Musikalisches

Entdeckung des Stillebens

Inzwischen wohnt der Fotograf mit seiner Frau in Italien. In Europa entdeckte er das Stillleben für sich. Doch ähnlich wie bei seinen Porträts behandelt er die Objekte darin, als seien sie lebendig. „Ich arrangiere Sachen nicht, um Schönheit zu erzeugen, sondern um Energie freizusetzen“, sagt er. Der letzte Part der Ausstellung ist mit den fotografierten Objekten aus Giorgio Morandis Studio in Bologna 2015 ein krönender Abschluss der Retrospektive, die Meyerowitz’ Einfluss auf folgende Generationen deutlich macht.

Mit Torbjørn Rødlands Ausstellung „Back in Touch“ im Obergeschoss von C/O Berlin wir ein solcher jüngerer Farbfotografen präsentiert. Anders als Meyerowitz hinterfragt der in Los Angeles ansässige Norweger mit inszenierten Situationen das Medium und die haptische Ebene der Fotografie. Dabei provoziert er mit merkwürdigen und ungewöhnlichen Situationen und Abbildungen eine emotionale Reaktion der Besucher. Das versteckte Gebiss in einer Zimtschnecke zum Beispiel entdeckt man mit hochgezogenen Augenbrauen erst auf den zweiten Blick. Beide Ausstellungen verdeutlichen auf ganz unterschiedliche Art und Weise, was Fotografie alles sein kann, und dass die Möglichkeiten des Mediums noch lange nicht ausgeschöpft sind. Joel Meyerowitz erkennt das jeden Tag: „Mein Geist wird immer wieder dadurch angeregt. Die Fotografie ist für mich nie beendet.“

Bis 11. März, C/O Berlin, Hardenbergstr. 22–24, täglich 11–20 Uhr

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