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Indien überholt Frankreich

Laut einer Studie wird der Subkontinent zur fünftgrößten Wirtschaftsmacht

Mitarbeiterin des Technologiekonzerns IBM im Manyata Tech Park in Bangalore, Indien. Foto: Philippe Calia/NYT/laif

Von Ulrike Herrmann

Indien dürfte im nächsten Jahr zur fünftgrößten Wirtschaftsnation der Welt aufsteigen – und Frankreich sowie Großbritannien überholen. Dies ergab eine Studie des britischen Forschungsinstituts CEBR, die das Bruttoinlandsprodukt in Dollar vergleicht und die jetzt am Dienstag in London veröffentlicht wurde.

Allerdings ist es etwas irreführend, einfach nur die jährliche Wirtschaftsleistung in Dollar umzurechnen. Denn mit einem Dollar lassen sich in Indien vier Mal so viel Waren oder Dienstleistungen kaufen wie etwa in den USA. Wenn man diese sogenannte Kaufkraftparität berücksichtigt, dann liegt Indien sogar auf Platz drei der Wirtschaftsnationen – hinter den USA und China.

Die indische Wirtschaft wächst rasant. In diesem Jahr wird eine Wachstumsrate von 6,72 Prozent erwartet. Dies liegt im Trend: In den vergangenen Jahren wuchs die Wirtschaftskraft des Subkontinents im Durchschnitt um etwa sieben Prozent jährlich. Selbst die weltweite Finanzkrise ab 2008 hat in Indien keine Spuren hinterlassen.

Aber auch die indische Bevölkerung wächst. Allein in diesem Jahr kommen etwa 17 Millionen Menschen hinzu, sodass die Zahl der Einwohner auf mehr als 1,3 Milliarden steigt. Indien ist daher immer noch ein armes Land: Pro Kopf beträgt die Wirtschaftsleistung weniger als 1.800 Dollar. Zum Vergleich: Indonesien kommt auf das Doppelte.

Zudem sind die Einkommen in Indien extrem ungleich verteilt. Die Landbevölkerung profitiert fast gar nicht von dem Wachstum der Wirtschaft. Noch immer leben etwa 60 Prozent aller Inder von weniger als zwei Dollar am Tag, rund ein Viertel hat sogar weniger als 1,25 Dollar. In keinem anderen Land der Welt hungern so viele Menschen. Die meisten Armen gehören den indischen Minderheiten an: Sie sind Muslime, Dalits oder Adivasi.

Die Entwicklung der Gesellschaft bietet ein widersprüchliches Bild: Da die Bevölkerung beständig wächst, drängen jeden Monat eine Million junge Menschen auf den Arbeitsmarkt – doch Jobs gibt es für sie oft nicht. Trotzdem kommt das Land voran, wie sich etwa bei der Zahl der Handyverträge zeigt: 2005 hatten erst acht Prozent der Einwohner einen Mobilfunkvertrag. 2015 waren es schon 79 Prozent. Auch das Internet verbreitet sich rasant: 2005 hatten erst 2,4 Prozent einen Zugang, 2015 verfügten schon 26 Prozent über einen Internetanschluss.

Deutschland ist für Indien ein wichtiger Handelspartner. Umgekehrt giltdies nicht

Indien produziert noch immer vor allem für die heimische Wirtschaft. Der Außenhandel nimmt zwar zu, spielt aber keine dominante Rolle – obwohl viele Call Center inzwischen in Indien angesiedelt sind und das Land bei der Biotechnologie führend ist.

Deutschland ist für Indien aber durchaus ein wichtiger Handelspartner: Die Bundesrepublik rangiert auf Platz fünf der indischen Kunden. Doch umgekehrt gilt dies nicht. 2016 hat Deutschland nur Waren im Wert von knapp zehn Milliarden Euro nach Indien exportiert – das war weniger als ein Prozent aller deutschen Ausfuhren.

Auch bei Investitionen halten sich die deutschen Firmen zurück: Bis Ende 2015 hatten sie erst knapp 13 Milliarden Euro in Indien angelegt. Die deutsche Industrie führt eine lange Mängelliste. Besonders stören Korruption, fehlende Infrastruktur und die langsame Verwaltung.

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