piwik no script img

Streitschlichtung wird Streitobjekt

USA isolieren sich bei der WTO-Ministerkonferenz in Buenos Aires

Von Andreas Zumach

Was treiben diese US-Amerikaner bloß? Darüber schütteln die Regierungsvertreter der 163 Mitgliedstaaten der Welthandelsorganisation (WTO) die Köpfe. Seit Sonntag findet in Buenos Aires die 11. WTO-Ministerkonferenz statt. Am Montag kritisierte der Handelsbeauftragte der Trump-Administration, Robert Lighthizer, die WTO habe „ihren Fokus auf Verhandlungen verloren“ und sei zu einer „Streitschlichtungs­organisation“ verkommen.

„Allzu oft glauben ihre Mitglieder, dass sie über Klagen Vorteile erringen können, die sie niemals an einem Verhandlungstisch erreichen würden“, monierte Lighthizer.

Der Leiter der deutschen Delegation, Wirtschafts-Staatssekretär Matthias Machnig, widersprach, die Streitschlichtung sei „ein Kronjuwel der WTO“, das gestärkt werden müsse. Es sichere gleiches Recht für alle.

Nach einer in der Genfer WTO-Zentrale geführten Statistik nutzen die USA das Streitschlichtungssystem von allen Mitgliedern am häufigsten. 113-mal hat die Regierung andere WTO-Mitglieder wegen angeblich un­fairer Handelspraktiken verklagt. In weiteren Fällen waren die USA die Beklagten, weil sie mit Subventionszahlungen oder Strafzöllen gegen WTO-Verträge verstoßen haben sollen. Das dürfte in nächster Zeit noch öfter vorkommen, wenn Washington die zahlreichen von Wirtschaftsminister Wilbur Ross angedrohten Strafzölle etwa gegen Stahl- und Aluminiumimporte aus der EU, China und Südkorea oder die Einfuhr von Holz und Flugzeugen aus Kanada und von Oliven aus Spanien oder Bio­diesel aus Argentinien tatsächlich umsetzt.

In Genf wächst die Sorge, dass die USA die Streitschlichtung gezielt sabotieren. Schon länger verhindern sie die Besetzung von drei vakanten Richterposten in den Panels.

Der US-Handelsbeauftragte behauptete, dass manche Vereinbarungen der WTO „nur für einige wenige Länder gelten“ würden und „die anderen im Namen eines selbst ernannten Status freie Bahn“ hätten. Wenn „fünf oder sechs der reichsten Länder der Welt sich als Entwicklungsländer bezeichnen, ist etwas falsch“, sagte Lighthizer, ohne ein Land konkret zu nennen. Sollte er China, den Hauptrivalen der Trump-Regierung, meinen, wäre die Behauptung falsch: Für das Land, das 2000 der WTO beigetreten ist, gibt es nach dem Auslaufen von Übergangsregeln keine Ausnahmen mehr. Solche existieren derzeit noch für die 50 nach UNO-Definition „am wenigsten entwickelten Staaten“ sowie für einige ärmere Entwicklungsländer. Eine für Indien noch geltende Genehmigung für die Subventionierung von Grundnahrungsmitteln, die die Armut im Land bekämpfen sollte, läuft demnächst aus.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen