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Verweise, Verweise und noch mehr Verweise

In GAK und Schwankhalle tritt der Künstler Than Hussein Clark an, die Grenzen zwischen Kunst und Schauspiel produktiv einzureißen. Stattdessen verläuft er sich in unzähligen Verweisen

Von Jens Fischer

Bildende und dramatische Kunst verschwimmen in einem Meer von Mehrwert. Daran arbeitet der in London lebende Than Hussein Clark – ein klassisch ausgebildeter Schauspieler, der viele Bücher gelesen hat, auch selbst welche schreibt und sie herausgibt. Zudem ist er ein betont queerer Fotograf, Objekt- sowie Performancekünstler und hat kein Problem damit, als Dekorateur von Räumen bezeichnet zu werden. Jetzt verwandelt er die GAK in ein Theater.

Aufgeführt werden dort aber keine Schauspiele, sondern historische Ausstellungen. Reenactment kündigt Kuratorin Janneke de Vries an. Und bezieht sich damit auf einen Retrotrend, der auch im Theater angekommen ist. Als Service für Nachgeborene. Nicht nur verwackelte Videobilder sollen an stilbildende, innovative Produktionen erinnern. Sie werden anhand alter Regiebücher nachinszeniert, also wieder erlebbar. Theatermuseum live. Nun also Kunstmuseum live auf der Museumsbühne? Gestartet wird mit der skandalisierten Retrospektive „The perfect moment“, die kurz nach Robert Mapplethorpes Tod wegen Pornografie-Verdachts verboten werden sollte. USA, 1989. Vor allem ging es um die schwarz-weiße Aktserie afroamerikanischer Mannsbilder. Und dabei vor allem um den „Man in a polyester suit“: Por­trätiert wird ein Prachtexemplar von Männerschwanz, der lässig aus einer Anzughose baumelt. Was wohl den Penisneid des weißen homophoben Mannes provoziert habe, wie damals vor Gericht gegen die Empörung argumentiert wurde. Heute wirkt eher ein Schmankerl für die Pädophilen-Fraktion als Provokation: das Aktbild eines Kindes. Oder die S/M-Szene gefolterter Geschlechtsteile. Nur: Die Werke sind nicht als Darsteller ihrer selbst zur Neubewertung frisch aufgehängt. Es gibt keine Originale zu sehen oder erstklassige Reproduktionen. Nur quadratische Miniaturen, die wie kontrastarme Ausdrucke abfotografierter Kunstkatalog-Abbildungen wirken. Winzig verloren kleben sie an riesigen, an Schienen beweglich aufgehängten Wänden. „So können Besucher interpretierend eingreifen in die Ausstellung und die Raumverhältnisse verändern“, wie de Vries das Positive herauskehrt. Die GAK-Ankündigung von Reenactment wird ja eher negativ beantwortet.

Clark kommt vom englischen Autorentheater, wo die Inszenierung dem Text zu dienen hat, läuft nun aber in Deutschland zum Regietheater über, wo der Text der Inszenierung zu dienen hat – weswegen das GAK-Spektakel „The director’s theatre writer’s theatre“ betitelt ist. Und geradezu klischeehaft als Beispiel schlechten Regietheaters funktioniert. Das Ausgangsmaterial (der Text, die Bilder) verliert die Hauptrolle, wird Statist, kommt nur als Zitat seiner ästhetischen Gesten vor, die Clark überwölbt mit Assoziationsmaterial. Etwa eine lärmende Tonspur. Rechts und links des Bühnenraumes sind zudem Regiestühle aufgereiht und mit jeweils einem Wort geschmückt – beispielsweise „the“ oder „back“. Wer das Mobiliar in die richtige Reihenfolge sortiere, bekomme ein bekanntes Poem zu lesen, verspricht die Kuratorin. Und wem das nicht reicht, der kann sich an Spiegeln erfreuen, mit denen Clark den Raum schmückt. Sie prunken mit einer Art Tiffany-Design, sollen aber Lessings Emilia Galotti und Miss Sara Sampson sowie eine Szene aus Tennessee Williams’„Camino real“ darstellen. Behauptet der Künstler. Was das mit Mapplethorpe zu tun hat? Keine Ahnung.

Das GAK-Spektakel dient geradezu klischeehaft als Beispiel schlechten Regietheaters

Dem Theaterraum vorgelagert hat Clark ein Foyer. Frisch bemalte Salonmöbel warten unter Spiegelleuchten auf das Selbstinszenierungspublikum. Blickfang ist eine Baum-Installation aus angekokeltem Bauholz. Zur Interpretation lässt sich der Künstler das Wort „Beckett“ entlocken. Und richtig, in „Warten auf Godot“ spielt ein Baum eine höchst symbolische Rolle. Um die geht es aber gar nicht. Sondern das sei nur Hinweis auf die in Becketts Dramen typische Mechanisierung des Subjekts und Verlebendigung der Objekte, ergänzt die Kuratorin. Das sei auch das Prinzip des Kabuki-Theaters, weswegen ein Verweis auf diese Kunstform ebenfalls in der GAK zu finden sei. Wer immer noch nicht verwirrt ist, dem werden weitere Anspielungen geliefert. Weil wir in Bremen sind, wo in der legendär genannten Hübner-Ära das Regietheater-Wunder mit initiiert wurde, woran der Peter-Zadek-Platz erinnert, an dem die Schwankhalle liegt, wo Clark seine Novelle „Three types of wind in Triest“ am 9. Februar 2018 uraufzuführen gedenkt, hängen nun in der GAK auch Fotos vom Kostüm, das Margit Carstensen 1972 am Theater Bremen als Elisabeth in „Maria Stuart“ getragen hat, die aber nicht von Zadek, sondern von Wilfried Minks inszeniert wurde. Egal. Der Name taugt für einen weiteren Verweis. Sind Mapplethorpes Bilder einmal abgenommen, folgen einige Roy Lichtensteins aus der 1963 in der New Yorker Galerie Leo Castelli gezeigten Sammlung – was an das Bühnenbild des Herrn Minks erinnern soll, das 1966 im Pop-Art-Stile Lichtensteins für die Bremer „Räuber“-Inszenierung entstanden ist. Puh. Wohl nur Hardcore-Theaterfans können die vernetzenden Bezüge zum Kunstbetrachtungsspaß nutzen.

Im dritten GAK-Raum errichtet Clark schließlich den Backstage-Bereich – eine stilisierte Theatergarderobe. Auf den Tischen liegen gerade nicht gezeigte Bilder, bei unserem Besuch einige unter dem Titel „Monza“ 1925 gezeigte Werke von Fortunato Depero – einem Futuristen, der mit seiner technikfanatischen Einverleibung des Menschen in die Maschinenwelt einen Link zurück zu Beckett liefern soll. Und einen zurück nach vorn gönnt sich Clark auch noch: Seite für Seite hängt er das Spielzeitheft der Volksbühne Berlin an die Wand. Als Fingerzeig auf deren neuen Intendanten Chris Dercon. Auch der versucht, Aufführung und Ausstellung zu vereinen. Hat im Gegensatz zu Clark aber auch schon klitzekleine Mehrwerte im Angebot.

Die Ausstellung ist bis zum 25. Februar in der GAK zu sehen

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