: Loveparade: ein Spiel auf Zeit
In Düsseldorf beginnt der Prozess gegen die mutmaßlich für die Katastrophe bei dem Mega-Rave Verantwortlichen. Das Verfahren ist aufwendig. Ob es noch vor der Verjährungsfrist im Jahr 2020 endet, ist ungewiss.
Aus Düsseldorf Andreas Wyputta
Siebeneinhalb Jahre nach der letzten Loveparade hat das Landgericht Duisburg am Freitag mit der juristischen Aufarbeitung der Katastrophe, bei der 21 Menschen umkamen, begonnen. Zu einer Verlesung der Anklageschrift kam es zunächst aber nicht: Durch verschiedenste Anträge der Verteidigung wurde der von Richter Mario Plein geleitete Prozess immer wieder unterbrochen.
Das öffentliche Interesse blieb gering: Von 254 für ZuschauerInnen vorgesehen Plätzen waren nur 45 besetzt – dabei verhandelt das Gericht, weil man einen Besucheransturm erwartet hatte, nicht in Duisburg, sondern in extra angemieteten Räumen der Messe Düsseldorf.
Angeklagt sind Duisburgs ehemaligen Stadtentwicklungsdezernent Jürgen Dressler, Ex-Bauamtsleiterin Anja Geer und vier weitere ihrer Mitarbeiter. Aufseiten des Veranstalters Lopavent sind vier leitende Mitarbeiter angeklagt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen fahrlässige Tötung und Körperverletzung vor. Verteidigt werden die zehn Angeklagten von 32 AnwältInnen. Nicht vor Gericht verantworten müssen sich die Initiatoren, die den Mega-Rave um jeden Preis durchgesetzt hatten: Weil sie nicht an der Detailplanung beteiligt waren, wurde gegen Lopavent-Inhaber Rainer Schaller und Duisburgs Ex-Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) nicht einmal ermittelt.
Die Verteidigung startete mit einer Antragsflut in den Prozess. Bemängelt wurde die Anwesenheit potenzieller ZeugInnen im Gerichtsaal. Außerdem stellten die Anwälte Befangenheitsanträge gegen zwei Ersatzschöffen. Sie haben Töchter, die bei der Loveparade dabei waren. Zwar wurden diese nicht verletzt, die Laienrichter könnten aber dennoch befangen sein, rügten die Verteidiger. Dabei steht der Prozess schon jetzt unter Zeitdruck: Zehn Jahre nach der Katastrophe, also am 24. Juli 2020, greifen „absolute Verjährungsfristen“. Urteile würden dann nicht mehr fallen, der Prozess würde im Nichts enden.
Die Hälfte der 65 Nebenkläger erschien am Freitag nicht. Der Grund: „Selbst arbeitsunfähigen, mittellosen Loveparade-Opfern werden Reise- und Übernachtungskosten nicht erstattet“, sagt der Bochumer Hochschullehrer Thomas Feltes, der den Vater der getöteten Studentin Svenja Reißaus vertritt. Hier müsse das Gericht dringend nachbessern, fordert der Anwalt: „Nebenkläger müssen die Möglichkeit haben, am Prozess teilzunehmen – zumindest wenn Dinge verhandelt werden, die sie unmittelbar betreffen.“
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