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Lohnende Muskulaturpflege

Die Nagelsmänner aus Hoffenheim machen sich die Taktik der Leipziger Hasenhüttler zu eigen und bezwingen diese deutlich

Aus Sinsheim Tobias Schächter

Manchmal spaziert der Fußballer Serge Gnabry während eines Spiels über den Platz, als befinde er sich auf einem Sonntagsausflug im Stadtpark. Auch an diesen Samstag hatte der Stürmer auf der grünen Wiese im Stadion seiner TSG Hoffenheim beim Spiel gegen RB Leipzig „in der ersten Halbzeit 15 Minuten totale Ruhephase“, wie TSG-Trainer Julian Nagelsmann irritiert feststellte.

Nagelsmann war nicht daran gelegen, die Leistung dieses außergewöhnlichen Kickers zu überhöhen, nur weil der zwei Tore beim 4:0-Sieg gegen RB Leipzig erzielt hatte. Eines davon, das vorentscheidende 3:0 (62.), gibt eine Ahnung davon, warum Nagelsmann diesen Gnabry dennoch prinzipiell als „Qualitätsspieler“ bezeichnet. Nach einem schwer zu verarbeitenden Anspiel von Nadiem Amiri erkannte der 22-Jährige unheimlich schnell, dass Leipzigs Torwart Péter Gulácsi ein bisschen zu weit vor seinem Tor stand. Drei Sekunden später lag der Ball im Tor der Leipziger, Gnabry hatte die Kugel aus über 40 Metern über den Torwart geschossen. „Ich habe den Ball einmal mitgenommen, kurz geschaut und mich dann einfach entschieden draufzuhauen und mein Glück zu suchen“, erzählte er hinterher lapidar.

Die Hoffenheimer sind nach zuletzt nur zwei Siegen in zwölf Spielen und dem peinlichen Aus in der Europa-League froh, endlich wieder aufgetrumpft zu haben. Der Sieg gegen erstaunlich harmlose und naiv verteidigende Leipziger diente der Selbstvergewisserung der eigenen Stärke. Man dürfe nicht immer vom eigenen Potenzial reden, man müsse dies auch auf den Platz zeigen, hatte Nagelsmann seinen Spielern eingeimpft. Unter der Woche coachte er aggressiv auf dem Trainingsplatz, statt seiner Assistenten übernahm er die Einzel-Videoanalysen der Spieler und nutzte diese zu eindringlichen Gesprächen. Und er wählte eine Taktik, die nicht seinem Naturell entspricht. Den Ball überließen die Nagelsmänner den Hasenhüttlern: hinten dicht, vorne Konter.

Milde nach Pleite

Und das ging auf, weil seine Spieler höchst emotional um jeden Ball kämpften, früh die Führung gelang (Amiri, 13.) und die Leipziger dem schnellen Gnabry schon kurz nach der Pause gestatten, von der Mittellinie aus dem 2:0 entgegenzusprinten (52.). Die Leipziger entschieden sich nach der höchsten Pleite ihrer noch jungen Erstligageschichte dafür, das Drama aber so klein wie möglich zu halten. Schon am Mittwoch steht ja das entscheidende Spiel über das Fortkommen in der Champions-League gegen Beşiktaş Istanbul an. Trainer Ralph Hasenhüttl klagte zwar über viele falsche Entscheidungen seiner Profis, zeigte sich aber milde: „Man muss den Jungs auch einmal so einen Tag zugestehen.“ Hasenhüttls zuletzt formulierter Anspruch („Wir sehen uns in der Verantwortung, die Meisterschaft spannend zu machen.“) wird allerdings von dem Auftritt in Hoffenheim konterkariert.

Die Perspektive beim Gastgeber stimmt dagegen plötzlich wieder, auch für Serge Gnabry. Wegen Verletzungen kam der launische Könner bislang ja nur in fünf Ligaspielen für die TSG zum Einsatz. Gnabrys Sprintermuskulatur sei sehr anfällig, erklärt Nagelsmann. Schon früh war der Mann mit den sensiblen Muskelfasern zum FC Arsenal gewechselt. In London schaffte er aber den Durchbruch nicht, nach einer Saison zur Leihe in Bremen steht Gnabry seit dieser Runde beim FC Bayern unter Vertrag, wohin er nächsten Sommer wechseln soll. Bei aller Nörgelei über die kleinen Schwächen Gnabrys, lobt Nagelsmann diesen aber auch als „vorbildlichen Profi, der privat mehrere Coaches engagiert, die seine Muskulatur pflegen. Nach dem Gewinn der U-21-Europameisterschaft belegen zwei Einsätze in der A-Nationalmannschaft, dass diesem Talent von höchster Stelle Großes zugetraut wird. Schafft er es, konstant zu trainieren und verletzungsfrei zu bleiben, steht dieser Serge Gnabry vor einer erfolgreichen Zukunft – von der sie in Hoffenheim und München hoffen, dass sie am Samstag begonnen hat.

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