piwik no script img

Australier sagen deutlich „Ja“ zur Homoehe

Doch ist offen, ob das Parlament auch dem Wunsch der offiziellen Befragung folgt

Die Australier haben „für Fairness gestimmt, für Engagement, für die Liebe“

Premierminister Malcolm Turnbull

Aus Canberra Urs Wälterlin

Australiens Bevölkerung hat am Mittwoch gleich zweimal Geschichte geschrieben: So sprachen sich nicht nur 61,6 Prozent der Berechtigten für die Einführung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare aus. Fast 80 Prozent der Stimmberechtigten oder 12,7 Millionen Menschen hatten sich an der brieflichen Befragung beteiligt, obwohl die Teilnahme im Gegensatz zu sonstigen Wahlen und Abstimmungen in Australien freiwillig war. Ein in der Geschichte des Landes einzigartiger Rekord.

Kommentatoren werteten das Ergebnis und die hohe Beteiligung nicht nur als klares Votum für die Einführung der sogenannten Homo­ehe, sondern auch als Zeichen für das verbreitete Bedürfnis nach mehr direkter Mitsprache der Bevölkerung.

Nur 38,4 Prozent der Beteiligten hatten „Nein“ angekreuzt. Laut Premierminister Malcolm Turnbull hätte die Mehrheit der Menschen „für Fairness gestimmt, für Engagement, für die Liebe“. Das Votum müsse jetzt vom Parlament respektiert werden, so Turnbull. Es sei nun an der Regierung, auch „zu liefern“. Noch vor Weihnachten solle ein entsprechender Gesetzesvorschlag verabschiedet werden.

Ob dieser realisiert werden kann, ist aber offen. Eine Gruppe konservativer Politiker hat angekündigt, eine Gegenvorlage einzubringen oder den Vorschlag wenigstens signifikant ändern zu wollen. Nur so könne „Religionsfreiheit“ garantiert werden, meinte etwa der Senator James Paterson.

Die Konservativen wollten sicherstellen, „dass ein Bäcker nicht gegen seine religiös bedingte Ablehnung der Homoehe dazu gezwungen werden, für ein gleichgeschlechtliches Paar einen Kuchen zu backen“, wie dies in anderen Ländern geschehen sei, sagte ein anderer ablehnender Politiker.

Diese Pläne für einen Gegenvorschlag wurden von den Befürwortern der Homoehe scharf kritisiert. Der Vorschlag öffne „eine neue Tür zur Diskriminierung von Homosexuellen, während sich eine andere schließt“.

Mit dem klaren Ja tritt die schon lang existierende tiefe Unstimmigkeit in der australischen Politik in eine neue Phase. Die Befragung war eigentlich gar nicht notwendig gewesen. Das Parlament hätte in eigener Regie abstimmen können. Doch die aufwendige Umfrage war noch vom früheren Premierminister Tony Abbott angeordnet worden, bevor er 2015 von seinem Parteikollegen Turnbull gestürzt wurde.

Kritiker meinten damals, der erzkonservative Abbott – ein fundamentalistischer Katholik und kompromissloser Gegner der Homoehe – habe damit im Volk „Zwietracht“ säen wollen.

Das ist zum Teil gelungen. Ein gut finanzierter Verbund aus konservativen Politikern und religiös motivierten Gegnern agierte mit zum Teil absurden Argumenten und zunehmender Aggressivität gegen die Gleichberechtigung. Befürworter klagten über verbale und vereinzelt sogar tätliche Übergriffen.

Laut dem Aktivisten Tom Sebo seien die Hauptleidenden junge Homosexuelle gewesen, deren Zuneigung für ihre Partner von den Gegnern infrage gestellt worden sei. Einige Opponenten hatten gleichgeschlechtliche Liebe als „pervertiert“ bezeichnet und Homosexuel­le mit Pädophilen verglichen.

Aber auch von Seite der Befürworter gab es Entgleisungen. So wurde Abbotts Schwester, Christine Foster, attackiert. Obwohl sie selbst lesbisch ist und sich – sehr zum Leidwesen ihres Bruders – für die Einführung der Homo­ehe engagiert hatte.

Abbott konnte am Mittwoch in seinem eigenen Wahlbezirk in Sydney sehen, wie wenig seine ablehnende Haltung mit der mehrheitlichen Meinung der dortigen Bevölkerung übereinstimmt: 84 Prozent der Berechtigten in seinem Wahlkreis hatten sich für die Gleichberechtigung für homosexuelle Paare ausgesprochen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen