: Keine Darmkeimuntersuchung für Ärzte
CHARITÉ Rechtsmediziner rät zur Exhumierung des verstorbenen Babys: Todesursache noch feststellbar
BERLIN taz | Nach der Erkrankung mehrerer Babys an Serratien halten die Charité und das Deutsche Herzzentrum Berlin es für unnötig, das pflegerische und ärztliche Personal auf den Darmkeim untersuchen zu lassen. Bislang seien weder Stuhlproben genommen worden noch Abstriche des Mund-Rachen-Raums, sagte die Leiterin des Gesundheitsamts Berlin-Mitte, Anke Elvers-Schreiber, der taz.
Der bezirkliche Krisenstab, der die Infektionsquelle ermitteln soll und seit einer Woche nicht einen Schritt weitergekommen ist, halte dies auch nicht für angemessen. „Man kann doch wohl davon ausgehen“, so Elvers-Schreiber, „dass sich Pflegerinnen und Ärzte nach dem Toilettengang die Hände waschen“. Möglicherweise irrt sie: Der Sprecher der Gesellschaft für Krankenhaushygiene, Klaus-Dieter Zastrow, sagte der taz, Serratien siedelten im Darm, vorübergehend könnten sie auch in Nase und Rachen nachweisbar sein. Nicht selten gelangten sie dann an die Hände des Klinikpersonals und würden so auf die Babys übertragen. „Das passiert dann, wenn die Basishygieneregeln nicht eingehalten werden“, sagte Zastrow. „In einer solchen Situation muss man alle Kontaktpersonen abstreichen.“ Und gegebenenfalls behandeln, um weitere Ansteckungen zu stoppen. Eine Untersuchung lediglich der Hände, wie sie die Charité zuletzt vornahm, sei „sinnlos“.
Der Vorstandsvorsitzende der Charité, Karl Max Einhäupl, behauptete am Sonntag in der Berliner Morgenpost indes, in der Charité sei „kein Kind an Serratieninfektionen zu Schaden gekommen“. Und: Das am 5. Oktober verstorbene Frühchen, das erst in der Charité und dann im Herzzentrum behandelt worden war, sei entgegen bisheriger Darstellung gar nicht an den Keimen gestorben, so Einhäupl, jedenfalls nicht „ursächlich“.
Für eine solche Aussage fehlt jeglicher Beweis: Um die tatsächliche Todesursache festzustellen, müsste das am 12. Oktober bestattete Baby exhumiert werden. „Eine Entscheidung hierüber werden wir zeitnah mit den Rechtsmedizinern treffen“, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft der taz. Ermittelt werde wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung. Wolfgang Huckenbeck, Vizechef des Instituts für Rechtsmedizin an der Universitätsklinik Düsseldorf und spezialisiert auf bakterielle Entzündungen, sagte, eine Exhumierung sei trotz der verstrichenen Zeit sinnvoll. „Man muss gar nicht den Keim finden“, so Huckenbeck: „Es reicht im Zweifel, eine Entzündung nachzuweisen, die für den Tod ursächlich war.“
Die Charité teilte am Sonntag mit, zwei Frühchen, die den Keim in sich trugen, aber nicht daran erkrankten, seien inzwischen entlassen. Es gebe jetzt noch sechs erkrankte sowie sechs mit Serratien „besiedelte“ Kinder in der Charité. Ihre Situation sei stabil. HEIKE HAARHOFF
Mehr auf taz.de