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Es sollte bloß kein Saxe sein

Nach der Bürgermeister-wahl in Lübeck

Von Benno Schirrmeister

In den ersten Statements am Sonntagabend schwang noch viel Wahlkampf mit: „Die Zeit der Eitelkeit im Rathaus ist vorbei“, sagte der glückliche Sieger der Lübecker Bürgermeisterwahl, Jan Lindenau (SPD), kurz nach Bekanntgabe des Ergebnisses. Nein, das sei „nicht auf Bernd Saxe gemünzt gewesen“, war er tags drauf gegenüber der taz bemüht, dem spontanen Spruch die persönliche Schärfe zu nehmen.

Doch der Schlüssel zum Erfolg in dieser Direktwahl war die erfolgreiche Abgrenzung vom ebenfalls sozialdemokratischen Amtsinhaber, der schon seit dem vergangenen Jahrhundert die Geschicke der Hansestadt führt. Das war von Anfang an von den Kandidierenden so wahrgenommen und von ihren Campaigner*innen so betrieben worden.

Und spätestens der erste Wahlgang hatte die Annahme bewiesen, dass auch bei den paar LübeckerInnnen – die das Wählen in Willy Brandts Geburtsstadt noch nicht aufgegeben haben – eine Minderheit von etwas unter 40 Prozent der Wahlberechtigten im ersten, etwas über 27 Prozent im zweiten Wahlgang – der Wunsch ausgeprägt ist, etwas daran zu ändern, wie die Stadt verwaltet wird: Aus dem Stand hatte der bislang lokalpolitisch kaum in Erscheinung getretene parteilose Stadtplaner Detlev Stolzenberg mit einem partizipativen Ansatz ohne Populismus 20,4 Prozent der Stimmen eingefahren.

Dass Lindenau die Distanzierung am besten gelungen ist, beweist sein knapper Sieg – er erhielt 50,9 Prozent der etwas mehr als 30.000 abgegebenen Stimmen. Und beides ist eine Überraschung: Schließlich gehört er nicht nur derselben Partei an wie Saxe, sondern hat ihm als Chef der SPD-Fraktion bislang auch, trotz Differenzen, die Stange gehalten.

Kultursenatorin Kathrin Weiher hingegen war, unterstützt von einem nur durch den Zorn auf Saxe geeinten Bündnis aus FDP, Die Linke, Grünen, CDU und der Wählergemeinschaft Bürger für Lübeck als Kandidatin des Wechsels positioniert worden. Deshalb war sie als klare Favoritin ins Rennen gegangen. Wäre die Zugehörigkeit zur Stadtregierung am Ende doch eine größere Hypothek gewesen als das Parteibuch? Hatte sie durch ihre Ankündigung, das Lübecker Klein-Klein hinter sich lassen zu wollen, die örtliche Laubenpieperfraktion verschreckt? Oder liegt es daran, dass Lübeck nicht von einer Frau regiert werden kann? Das wird ewig unklar bleiben. Viel wichtiger ist indes auch die Frage, ob es Lindenau gelingt, die Lübecker*innen dazu zu bringe, künftig wieder etwas mehr Demokratie zu wagen.

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