Turnerbund will Parkour schlucken: Hindernisse auf dem Weg zu Olympia

In der Parkour-Community wird ein freiheitlicher Sportbegriff gepredigt. Der Internationale Turnerbund will sich die Athleten nun einverleiben.

Drei Menschen kopfüber in der Luft

Der Turnerbund könnte die Welt der Parkour-Athleten auf den Kopf stellen Foto: reuters

Es gibt Streit, handfesten Streit. Ende Fe­bruar verkündete der Internationale Turnerbund (FIG), man habe beschlossen, Parkour als „neue Sportart zu entwickeln“. Und Generalsekretär André Gueisbuhler behauptete, niemand sei „so qualifiziert wie der FIG“, sich um die Entwicklung von Parkour zu kümmern. Seitdem begehrt die Community der geschmeidigen Hindernisüberwinder auf. Die Hashtags #WeAreNotGymnastics und #FightTheFig wurden rasch populär. Dass hinter der Verbandsinitiative die Absicht steht, Parkour olympisch werden zu lassen, liegt nahe.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich das IOC bemüht, sein Image mit einer Lifestyle-Bewegung aufzufrischen. Zuletzt wurden BMX-Freestyle und Skateboarden ins Olympiaprogramm für Tokio 2020 aufgenommen. Das Ansinnen, Par­kour olympisch zu machen, ist schon einmal gescheitert. 2014 fand der Franzose David Belle, einer der Pioniere der Szene mit eigenem Verband im Rücken, kein Gehör. Jetzt macht sich einer der großen Fachverbände an einen zweiten Versuch.

In der Szene kommt das nicht nur gut an. Dabei könnte das Machtgefälle zwischen den Protagonisten größer kaum sein. Die vielen einzelnen Stimmen aus der Community, die aus Neuseeland, Argentinien oder Schweden kommend mit selbst produzierten Videoclips im Netz das Kapern ihrer Sportart beklagen, werden den 1881 gegründeten Weltverband kaum irritieren.

Anders könnte es sich mit der Gegenwehr von Parkour UK verhalten. Der britische Verband war just Anfang des Jahres, nach langwierigen Auseinandersetzungen mit dem britischen Turnverband um seine Eigenständigkeit, als nationaler Sportfachverband für Parkour anerkannt worden. Jetzt legt er sich mit dem FIG an. Geschäftsführer Eugene Minogue beschuldigt in einem offenen Brief, der in Kopie auch den Internationalen Sportgerichtshof und das IOC erreichte, den FIG der „widerrechtlichen Aneignung und Übernahme“ von Parkour.

Eigener internationaler Verband gegründet

Die FIG-Gegner formieren sich. Im Sommer wurde mit Parkour Earth ein neuer internationaler Sportfachverband gegründet, der allerdings erst sechs Mitgliedsverbände zählt. Über 20 nationale Parkour-Vereinigungen, darunter die mächtige Apex, die in den USA mehrere Trainingszentren betreibt, positionierten sich gegen den FIG.

„Es ist ein Problem des Sportsystems“, urteilt Eugene Minogue von Parkour UK, „jede neue Sportart muss sich einem existierenden Verband anschließen.“ FIG-Präsident Morinari Watanabe sagt: „Nachdem wir entschieden haben, sind Leute gekommen, die sagen: Parkour ist unser Sport. Ich verstehe das nicht! Wer kann sagen, Fußball gehört mir?“ Er schafft Fakten: Vor Kurzem trat erstmals die neue Parkour-Kommission des FIG zusammen, übrigens unter Vorsitz von David Belle. Es gibt nun eine Vollzeitstelle für einen Parkour Sports Manager, ein Logo und einen Wettkampfkalender bis 2020.

Watanabe kann auf Unterstützung aus dem Olymp setzen: „Das IOC hat gesagt, bitte kommt zu den Olympischen Spielen, denn Parkour ist sehr populär und sehr interessant.“ Dabei ist noch völlig offen, wie ein olympischer Parkour-Wettbewerb aussehen könnte. Der Community der urbanen Freestyle-Turner ist die Wettkampffreiheit heilig. Eugene Minogue befürchtet nun einen „vollständigen Verlust der Authentizität“, denn er ist überzeugt, der FIG wird „einfach ihre jetzigen Wettkampfformate kopieren und dem Parkour überstülpen“.

Hashtags des Protest: #WeAreNotGymnastics und #FightTheFig

Steve Butcher, der als Technischer Koordinator des FIG für die Vereinheitlichung der Regeln zuständig ist, sagte im Oktober: Wir planen für die olympische Disziplin einen Schnelligkeitswettbewerb, einen Lauf gegen die Zeit.“ Die Entwicklung eines Freestyle-Wettkampfs, für den es, ähnlich wie im Turnen, Elementekataloge, Ausführungsbestimmungen und Kampfrichter braucht, würde sehr viel mehr Zeit in Anspruch nehmen. „Parkour wäre vermutlich so oder so olympisch geworden, mit dem FIG oder ohne“, sagt Butcher, der in die sportpolitische Debatte nicht eingebunden ist: „Mein Job ist, wenn es drin ist, erfolgreiche und faire Wettkämpfe zu organisieren.“

Morinari Watanabe hat vermutlich recht, wenn er sagt, Parkour gehöre niemandem. Was von der Praxis, die bislang so viele Menschen fasziniert hat, bei einer olympischen Premiere 2024 in Paris übrig sein bliebe, ist eine andere Frage.

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