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heute in hamburg„Registrierung ist kein Schutz für Prostituierte“

Foto: privat

Gudrun Greb, 55, ist Geschäftsführer von ragazza, die Hilfe für drogenabhängige Frauen und Prosti­tuierte gewährleistet.

taz: Frau Greb, warum ist Prostitution auf Sankt Pauli erlaubt?

Gudrun Greb: Egal wo, wenn man von Hamburg spricht, fallen immer irgendwann Sankt Pauli und die Reeperbahn. Für den Tourismus ist das ein sehr großer Wirtschaftsfaktor. Deshalb wird immer davon ausgegangen, dass man es nicht total verbieten kann. In Hamburg heißt Sperrgebiet, dass das Angebot sexueller Dienstleistungen auf der Straße verboten ist, außer in einigen Straßen und zur bestimmten Zeiten auf Sankt Pauli.

In Sankt Georg ist das anders?

Dort ist Prostitution auf der Straße verboten und es kann jeder Polizist Frauen, die sexuelle Dienstleistung anbieten, bestrafen. Und das wird auch leider sehr häufig gemacht. Es gibt Frauen, deren Bußgelder in die Tausende gehen. Es sind Schulden, die nicht gezahlt werden können. Eine Lösung ist mehr sexuelle Dienstleistung anzubieten. Am Ende steht dann natürlich auch das Gefängnis. Ein sehr extremer Teufelskreis.

Hilft das Prostituiertenschutzgesetz?

Null. Meines Erachtens ist das ein Prostitutionsverhinderungsgesetz. Es schützt nicht die Prostituierten. Es wird nur so genannt.

Was ändert dieses Gesetz?

Alle Frauen müssen sich registrieren, Daten abgeben, Pflichtberatungen über sich ergehen lassen. Je nach Bundesland oder Bezirk müssen sie auch eine Menge an Anmeldegebühren zahlen. Ein wesentliches Problem ist auch der Datenschutz, weil die Frauen und vor allem Migrantinnen damit rechnen müssen, dass ihre Daten weitergeleitet werden, an ihnen nicht bekannte Stellen. Oft in Ländern in denen Prostitution verboten ist, oder sie durch solche Informationen erpressbar sind.

Hat der Staat ein finanzielles Interesse an dem Gesetz?

Ich nehme das an. Aber ich glaube nicht, dass dies der Motor für das Gesetz gewesen ist. Die Registrierung ist meines Erachtens die Grundlage für dieses Gesetz.

Wie könnten Prostituierte wirklich geschützt werden?

Es hört sich banal an, aber wichtig sind Rechte! Dazu gehören Arbeitsrechte mit Ansprüchen auf Arbeitslosengeld und Rente. Wenn man sexuelle Dienstleistung in einem kriminellen Milieu verortet, kreiert man etwas Dramatisches. Mit Arbeitsrechten kann man sich besser schützen und einfach die Polizei rufen, wenn es ein Problem gibt. Registrierung ist kein Schutz.

Interview Adèle Cailleteau

Diskussion über Prostitution in Hamburg als Alltag und Wirtschaftsfaktor: 20 Uhr, Thalia Nachtasyl, Alstertor 1, Eintritt: 5 Euro

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