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Schweig oder stirb

Vom tödlichen Ausgang heimlicher Liebe in Eiderstedt, einem gemeuchelten Kleingärtner an Hamburgs A7-Baustelle und der perfiden Erpressung eines Unbekannten handeln drei aktuelle spannende Nord-Krimis mit nur kleinen, verzeihlichen Mängeln

Schauplatz nicht nur von Öko-Verbrechen: Verkehr staut sich an einer Baustelle auf der Autobahn 7 in Hamburg-Schnelsen Foto: Markus Scholz/dpa

Von Petra Schellen

Baumängel-Geschichten gehen immer. Nicht, weil die technischen Details so interessant wären (das sind sie außerdem, und man kann eine Menge über Nieten und Schrauben lernen, wenn man sich das Elbphilharmonie-Desaster oder das der Kölner U-Bahn samt Stadtarchiv-Einsturz ansieht). Nein, sie fesseln, weil Murks am Bau allgegenwärtig und darum für Fiktion sehr gut geeignet ist.

Und weil überdies oft die öffentliche Hand – etwa durch schlampig formulierte Verträge und unklare Vorgaben – einerseits oft schuld ist, andererseits eben diese Verantwortung meist nicht übernimmt. Das steigert des Bürgers Wut und des Lesers Interesse an solchen Themen.

Dass sich das mit immensen Summen operierende Baugeschäft trefflich für Krimis eignet, hatte vor Jahren schon Boris Meyn in historischen Hamburg-Romanen wie „Die rote Stadt“ gezeigt. Ein Mitarbeiter der Hamburger Baubehörde wurde dort dahingehend bestochen, dass er ein Eisen in Gebäude der Speicherstadt einbauen ließ, das nicht zuverlässig feuerfest war. Der Angestellte der – im Brandfall zahlungspflichtigen – Hamburger Feuerkasse, der es bemerkt hatte und publik machen wollte, musste sterben.

In „Kilometer 151“, dem jüngsten Krimi der im nordfriesischen Niebüll geborenen Sandra Dünschede fordert die Baustelle der Hamburg-Stellinger A7 ein Todesopfer. Und das nicht aufgrund eines Bauunfalls wie bei Hamburgs Elbphilharmonie, wo ein Arbeiter durch ein loses Brett in die Tiefe stürzte und starb. In Sandra Dünschedes Roman handelt es sich vielmehr um gezielten Mord. Es hat den Eigner eines an die Baustelle grenzenden Kleingartens getroffen.

Ein Rentner war das, der die Baustelle genauestens beobachtet und Baumängel gefunden hatte. Also klagte er gegen den Baukonzern und hätte den Bau vielleicht sogar stoppen können. Auf Schweigegeld-Angebote des Konzerns hatte er nicht reagiert.

Da liegt es nahe, den Täter zuerst bei den Bauleuten zu suchen, die jetzt ein Pro­blem weniger haben und ungehindert werkeln können. Aber diese Lösung ist natürlich zu schlicht, um wahr zu sein, und die Tat verübte jemand ganz anderes.

Das alles ist plausibel und spannend geschrieben. Nur hat die Autorin es leider – wohl aus Gründen des Aktualitätsbezugs – für notwendig gehalten, den Verdacht zwischendurch noch schnell auf die Bewohner einer nahen Flüchtlingsunterkunft zu lenken und den Kleingärtnern allerlei Vorurteile anzudichten.

In Eiderstedt wiederum, wo Johanna Ritters „Deich-Geheimnis“ spielt, geht es um das dörfliche Innenleben einer ländlich-konservativen, recht verlassenen Gegend. Der Roman der – im niedersächsischen Neustadt am Rübenberge geborenen – Autorin schafft eine Szenerie, die an das Gewusel der alten griechischen Götter erinnert: Mord, Totschlag und verbotene Liebe entdeckt die junge Inken, als sie auf der Reise in die Heimat ihrer Vorfahren im Tagebuch ihrer kürzlich verstorbenen Großmutter liest.

Von einem jungen Mädchen, das in den 1980er-Jahren heimlich ein Kind bekommt, ist in dem Tagebuch die Rede – und davon, dass der Vater des Mädchens beide in einer Scheune darben ließ, bis die jungen Kindseltern bei Nacht und Nebel zu fliehen versuchen.

Der Fluchtversuch endet schlimm. Seither lebt ein Kind ohne Eltern irgendwo in Deutschland, und langsam, in einer Zusammenschau aus Tagebuch-Einträgen und Gesprächen, offenbart sich, was damals geschah. Und da das sehr packend und intensiv beschrieben ist, sieht man es der Autorin nach, dass jene Dame, die Inken zufällig in ihrem Urlaub trifft, mit der Geschichte enger verwoben ist, als zunächst zu vermuten war.

Noch weiter in die Vergangenheit reicht die Geschichte, die der Flensburger Schriftsteller Marc Freund in seinem neuen Ostsee-Krimi „Mühlenmord“ erzählt. Da geht es um Männer, die nach 1945 aus dem Krieg heimkehren, durch ihre Erlebnisse als Soldaten physisch versehrt, oft stark wesensverändert, quasi ein Anderer geworden waren.

Der Heimkehrer in „Mühlenmord“ ist allerdings tatsächlich ein anderer als der Erwartete: Der Bruder des Mühlenbesitzers, der düstere Onkel Karl, kehrt zu Frau, Kind und Mutter des Verschollenen heim. Er ist ein jähzorniger, brutaler Mann, der alle bis zur Grenze des Erträglichen tyrannisiert. Irgendwann, abends, im Dunkel der Mühle, lösen die Geschundenen das Problem auf ihre Weise.

Aber einer weiß davon, und er kommt viele Jahre später, um Geld zu erpressen, seinen „Anteil“ an der Mühle zu fordern.

Das Unterfangen geht zunächst fehl, und der Mühlenbesitzer – das geschundene Kind von einst – kann den Erpresser austricksen. Doch genau in dem Moment, in dem man ihn in Sicherheit wähnt, greift der Autor zu einem schlauen Kniff und verlängert das Leiden der Mühlenbewohner in einem Endlos-Loop aus Unglück und Verfolgung bis in die Ewigkeit.

Sandra Dünschede: „Kilometer 151“. Gmeiner 2017, 251 S.,14 Euro

Johanna Ritter: „Das Deich-Geheimnis“. Boyens 2017, 192 S.,10,95 Euro

Marc Freund: „Mühlenmord“. Boyens 2017, 232 S.,10,95 Euro

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